Zähneknirschen und CMD

AllDent Zahnzentrum Mainz
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Was tun?

Symptome einordnen – Stress und weniger bekannte Auslöser identifizieren – Die richtigen Empfehlungen für Patienten – von Dr. Tam Phan, zahnärztliche Oberärztin im AllDent-Zahnzentrum Mainz.

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Zähne zusammenbeißen

Der Volksmund knirscht sprichwörtlich mit den Zähnen, wenn er sich ärgert, beißt in schwierigen Zeiten die Zähne zusammen. Kein Wunder, dass Bruxismus in der Pandemie zugenommen hat. Eine in Polen und Israel durchgeführte Studie hat gezeigt, dass die psychische Belastung mehr denn je dazu geführt hat, dass meist unbewusst mit den Zähnen geknirscht wird.1

Beim Kauen reduziert sich der stressbedingte Cortisolgehalt im Speichel. Daher geht man davon aus, dass sich Zähneknirschen oder Pressen im Laufe der menschlichen Entwicklung als körperliche Reaktion zum Stressabbau entwickelt hat. Wenn Knirschen und Pressen vorübergehend und kurzzeitig auftreten, ist das weniger problematisch. Wird jedoch die emotionale Belastung durch Pandemie, Beruf, Familie und Beziehung zum Dauerzustand, kann es sein, dass nicht nur Zähne leiden. Weitere auslösende Faktoren von Rauchen bis Reflux werden dagegen in der Anamnese oftmals vernachlässigt.

Oftmals führt die verspannte Kaumuskulatur zu einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Symptomen bis hin zu Migräne oder Tinnitus. Zwar hat sich in den letzten Jahren die Forschung auf dem Gebiet des Bruxismus stark intensiviert, doch auch in der aktuellen S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) von 2019 wird festgestellt, dass primärer Bruxismus derzeit nicht ursächlich heilbar ist. Für Zahnärzte stellt sich also die Frage: was tun? Schließlich gilt es, Patienten mit ihren Beschwerden nicht alleine zu lassen und gleichzeitig eine überschwängliche Therapie zu vermeiden.

Meist entdeckt man bei einem Routine-Check Hinweise auf Bruxismus. Das können Abplatzungen und Schleifspuren, Bissspuren in Zunge oder Wangenschleimhaut, wiederkehrender Verlust von Restaurationen oder Füllungen sein (siehe Infografik). In der Regel sind Patienten völlig überrascht, dass sie mit den Zähnen knirschen, ihr Kiefer unwillkürlich anspannen oder pressen. Schlafpartner sind keine zuverlässigen Zeugen. Rund 80 Prozent der Betroffenen knirschen geräuschlos! Lange dachte man, dass mangelnde Okklusion ein Hauptfaktor für Bruxismus sei. Dies hat sich jedoch in der Literatur nicht bestätigt.2

Die möglichen Folgen sollte man nicht unterschätzen. Das wird umso klarer, wenn man realisiert, welch extremer Druck beim Zähneknirschen ausgeübt wird. Dieser kann bis zum Zehnfachen dessen betragen, was beim normalen Kauen üblich ist. Die Episoden können täglich bis zu 45 Minuten betragen. Dauerhaftes Zähneknirschen kann zur Lockerung von Zähnen bis hin zum Zahnverlust sowie Schäden am Kiefergelenk führen. Kaumuskulatur und Kiefergelenke sind häufig druckempfindlich, die Gelenke können knirschen oder knacken.

Sehr wahrscheinlich bedingen sich Zähneknirschen und CMD gegenseitig, wobei oft nicht ganz klar ist, welches von beiden das ursprüngliche Problem darstellt. Eine CMD kann auch durch andere Faktoren ausgelöst werden, etwa extremer Kaugummikonsum, regelmäßiges Kauen auf Fingernägeln, Lippen oder Wangenschleimhaut. Körperliche Fehlhaltungen, speziell im Bereich der Halswirbelsäule, können Verspannungen verstärken.

Da die auslösenden Vorgänge meist tagsüber unbewusst oder nachts während des Schlafens ablaufen, ist der erste Therapieschritt die Aufklärung. Der zweite Schritt ist die Anpassung einer Okklusionsschiene, um weitergehende Zahnschäden zu vermeiden und Kaumuskulatur und Kiefergelenk zu entlasten. Teilweise hat die Schiene sogar schon einen psychologischen Effekt. Allein die Gewissheit, keinen Schaden mehr anrichten zu können, kann das Knirschen und Mahlen reduzieren. Ein wichtiger Hinweis für Patienten: Das intermittierende Tragen der Schiene hat sich bewährt. Dadurch können sich Muskelfasern auf der Basis neuromuskulärer Reflexe neu ausrichten oder gar neu bilden, sodass sich das Bruxismus-Verhalten nachhaltiger bessert.

Nur in sehr ausgeprägten Fällen sind spezielle Verfahren zur Ausrichtung des Kiefergelenks, zu Bisskorrektur und anschließendem Aufbau zerstörter Zahnsubstanz nötig.

Neurotransmitter als Ursachen

Als Ursachen von Bruxismus werden beispielsweise Störungen im Bereich der Neurotransmitter diskutiert. Dopamin und Glutaminsäure (Glutamat) wirken danach treibend, Serotonin und Ƴ-Amino-Buttersäure hemmend. Also kommen auch bestimmte Medikamente von Antidepressiva bis zur ADHS-Behandlung als Auslöser in Frage. Da Nikotin die Dopaminausschüttung anregt, gibt es einen messbaren Zusammenhang zwischen Rauchen und Zähneknirschen. Selbst Passivrauchen konnte als Risikofaktor identifiziert werden. Auch die Menge des konsumierten Alkohols und von Kaffee (über acht Tassen pro Tag) steht in direktem Zusammenhang mit der Häufigkeit von Bruxismus.

Reflux, Schnarchen und Schlafapnoe

Wenig bekannt: Die Prävalenz für Schlafbruxismus wird bei bestehendem Reflux mit 74 Prozent angegeben! Die Säure in der Speiseröhre löst offensichtlich Weckreaktionen (Microarousals) aus, die zu rhythmischer Kaumuskelaktivität führen. Man geht davon aus, dass dies den Speichelfluss anregt, wodurch die Magensäure verdünnt und abgepuffert wird. Ist eine derartige Diagnose gegeben, empfiehlt sich für den Patienten der Gang zum Allgemeinmediziner.

Auch schweres Schnarchen oder Schlafapnoe können Bruxismus begünstigen. Vermutet wird eine Schutzfunktion durch die Kaubewegungen, um die oberen Atemwege offen zu halten. Auch in diesem Fall ist der Verweis auf den allgemeinmedizinischen Kollegen angeraten.

Stressoren identifizieren

Zahlreiche Studienergebnisse zeigen eine Korrelation zwischen seelischen Belastungen und Bruxismus. Dabei ist die naheliegende Frage: „Haben Sie Stress?“  weniger hilfreich. Denn emotionaler Druck durch ein forderndes Arbeitsumfeld, familiäre Probleme oder Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von Belastungen bleiben eher unbewusst. Sind Stressoren erst einmal identifiziert, kann man Konsequenzen für die Behandlung ziehen. Als Entspannungstechniken werden immer wieder Progressive Muskelentspannung nach Jacobson und autogenes Training genannt. Aber auch Musik, Sport oder Meditation können ausgleichend gegen emotionale Spannungen wirken. Eine gute Schlafhygiene und der Verzicht auf Koffein, Alkohol und Nikotin sind ebenfalls förderlich.

Tipps zu Selbstbeobachtung und Verhaltensänderung

Haben die Betroffenen realisiert, dass sie während des Tages mit den Zähnen knirschen, kann man Techniken aus der Verhaltenstherapie einsetzen. Die Patienten beginnen mit gezielter Selbstbeobachtung, um sich ihr Zähneknirschen oder -pressen bewusst zu machen. Dabei kann unter anderem auch eine Brux-App helfen.3

Bemerken die Betroffenen eine Anspannung, können sie aktiv den Kiefer entspannen. Farbige Punkte oder Smileys auf häufig angeschauten Gegenständen in der Umgebung leisten ebenfalls gute Dienste. Fällt der Blick darauf, kontrolliert und korrigiert man die Zahn- und Kieferstellung. Sehr aufwendig sind Biofeedback-Verfahren, die Kaumuskelbewegungen registrieren und beispielsweise durch ein Licht- oder Tonsignal zurückmelden. Im Fall von Schlafbruxismus sind auch Schienen mit integriertem Sensorchip im Einsatz, die beim Zubeißen vibrieren.

Physiotherapie und physikalische Maßnahmen können Schmerzen und Verspannungen in Kiefer- und Kaumuskulatur lindern. Tipps zur Selbsthilfe, (etwa Akupressur) werden von Patienten meist gerne angenommen.4

Das erspart nicht immer den Gang zu einem professionellen Physiotherapeuten oder Osteopathen. Neben den Behandlungen kann deren geschulter Blick auf Fehlhaltungen, unter anderem im Bereich der Halswirbelsäule, zu einer Verbesserung beitragen. Nicht immer also ist es mit Anpassung einer Okklusionsschiene getan. Für die Betroffenen geht es um Achtsamkeit, die Schulung der Wahrnehmung und Veränderung negativer Verhaltensweisen zur Förderung der mentalen Verfassung.


Literatur:

  1. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33053640/
  2. (https://www.dgzmk.de/documents/10165/1373255/083-027_S3_Bruxismus_Langversion.pdf/523e36be-0eef-440f-83d6-9b19e1b0a284
  3. https://www.bruxapp.info/bruxism/en/
  4. https://www.alldent-zahnzentrum-mainz.de/leistungen/weitere-behandlungen/kiefergelenksprobleme-zaehneknirschen/

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