Vitamin D – Teil 8

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Dr. Ronald Möbius, M.Sc. Parodontologie

Informationen für die tägliche Praxis

Dieser Artikel baut auf das Wissen aus den Teilen 1 bis 7, Dental Barometer 3/2020 bis 1/2022 auf. Pflanzen gehen ohne Licht ein, Menschen auch! Pflanzen können sich nicht selber helfen − wir Menschen schon. Fangen Sie damit an, besser heute als morgen12.

Der Vitamin D-Spiegel in der deutschen Bevölkerung sinkt stetig!

1988 – 1994   Mittelwert in der Bevölkerung 30 ng/ml Blut5
2001 – 2004  Mittelwert in der Bevölkerung 24 ng/ml Blut5
2007                Mittelwert in der Bevölkerung 16,4 ng/ml Blut5
2018                Mittelwert im Sommer 24 ng/ml7 – Mittelwert im Winter 8 ng/ml7

In eigenen Untersuchungen mit über 500 Teilnehmern auf zahnmedizinischen Fortbildungsveranstaltungen in der Zeit 2020 bis 2022 wurde unterschieden zwischen Teilnehmern mit und ohne Vitamin D-Substitution. Trennt man die beiden Gruppen, ergibt dies einen erschreckenden ganzjährigen Spiegel von:

  • Mittelwert 11,8 ng/ml ohne Vitamin D-Substitution
  • Mittelwert 38,4 ng/ml mit Vitamin D-Substitution

Ein Mangel an Vitamin D zählt zu den häufigsten Gesundheitsproblemen und ist die Hauptursache bei den Wohlstandserkrankungen, zum Beispiel Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs, Diabetes. Vitamin D wird für die reibungslose Funktion fast aller Zellen und Organe benötigt. Ein Mangel erklärt die vielfältigsten Erkrankungen5. Entsprechend der Triage wird das wenige zur Verfügung stehende Vitamin D für die lebenserhaltenden Funktionen zuerst eingesetzt. Genetik und Knochen mit seinem extrem langsamen Stoffwechsel gehören nicht dazu.

Während viele Prozesse schon bei 30 ng/ml Blut laufen, werden die Proteine Osteocalcin und Matrix-Gla-Protein (MGP) erst ab einem D3-Spiegel von 40, besser 60 ng/ml gebaut. Diese Proteine sind zunächst inaktiv und werden durch Vitamin K2 aktiviert. MGP sammelt Kalzium aus den Weichgeweben ein und transportiert dies zum Knochen, Osteocalcin ist für den Einbau in den Knochen erforderlich. Sind beide Spiegel (D3, K2) hoch, wird selbst eingelagertes Kalzium aus den Weichgeweben, Gefäßen wieder zurückgebaut und zum Knochen transportiert9.

Vitamin D3 erhöht die Kalziumresorption dies ganz extrem bei zusätzlicher Kalziumgabe. Aber bei D3-Werten unter 40 ng/ml sind die beiden kalziumtransportierenden Proteine MGP und Osteocalcin nicht ausreichend vorhanden: Es kommt zu Kalziumeinlagerungen in den Weichgeweben mit all seinen Krankheitsfolgen. Eine weitere Dosiserhöhung von Vitamin D3 verschlechtert die Situation, weil jetzt MGP und Osteocalcin in ausreichender Menge gebildet, aber nicht carboxyliert werden. Dies führt zu noch mehr Kalziumeinlagerungen in den Weichgeweben und zu chronischen Entzündungsreizen, Diabetes usw. Die beiden inaktiv gebildeten Proteine MGP und Osteocalcin werden erst durch Vitamin K2 aktiviert8.

Fazit:

  1. Der Vitamin D3-Spiegel schwankt ständig und ist von sehr vielen Faktoren abhängig. Für einen gesunden Knochenstoffwechsel werden 60 ng/ml benötigt. Um immer oberhalb der Schwankungsbreite zu bleiben, stellen wir unsere Patienten auf 80 bis 100 ng/ml ein.
  2. Vitamin D3 muss zwingend immer kombiniert werden mit Vitamin K2 40 µg/ 10 kg Körpergewicht/Tag − Eine 60 kg schwere Person benötigt 240 µg Vitamin K2/Tag.

Einnahme von Vitamin D-Präparaten

Stellen Sie sich vor, es ist Weihnachten und Geburtstag alles auf einen Tag und es gibt Essen in Hülle und Fülle, überhaupt nicht zu schaffen, dieses aufzuessen, der Rest wird dann einfach entsorgt. Aber danach gibt es die ganze Woche lang gar nichts. Dadurch werden Sie nicht sterben, aber es ist eine sehr hohe Belastung bei gleichzeitig zeitweiser Unterversorgung. Genauso funktioniert Vitamin D3. Es wird jeden Tag in ausreichender Konzentration benötigt. Fast alle Zellen benötigen Vitamin D und viele Reaktionen sind an eine entsprechende Konzentration von Vitamin D gebunden, weil Vitamin D fettlöslich ist, hat es eine bestimmte Affinität und bestimmte Reaktionen laufen früher bei geringeren Vitamin D-Konzentrationen, andere benötigen einen höheren Spiegel.

Neue Untersuchungen sprechen dafür, dass die regelmäßige, tägliche Zufuhr von Vitamin D wirkungsvoller ist als die superhochdosierte Zufuhr in größeren Zeitabständen. Der Grund dafür sind komplizierte Verteilungsphänomene am Tag der Einnahme, wodurch das Präparat relativ mehr zur Verfügung steht als an den darauffolgenden Tagen, obwohl der messbare Spiegel im Blut der Gleiche ist10. Die schnelle HWZ reduziert den hohen Spiegel sehr schnell, sodass der Vitamin D-Spiegel stark schwanken würde. Vitamin D in flüssiger Form als Öl oder als ölhaltige Kapsel wird besser vom Körper aufgenommen als Tabletten oder Pulver6. Die einmalige tägliche Einnahme ist ausreichend, die Tagesdosis auf mehrere Einzeldosen zu verteilen ist nicht notwendig6.

Muskeltraining und Vitamin D

Muskeltraining regt die Aktivierung von Vitamin D an. Zum Auslösen der Muskelkontraktion strömen Kalziumionen in die Muskelzelle ein. Dadurch verringert sich unmerklich das Kalzium im Blut, was die Umwandlung von gespeichertem in aktives Vitamin D bewirkt. Das aktive Vitamin D entfaltet nach der Muskelarbeit dann zusätzlich seine vielfältigen genetischen Schutzwirkungen im Zell- und Immunsystem, die weit über den Kalziumstoffwechsel hinausgehen. Muskeltätigkeit verstärkt somit die Wirksamkeit von Vitamin D, weil es dessen Aktivierung anregt. Die gesundheitsfördernden Effekte von aktiver Bewegung sind auf diese Wirkungsverstärkung zurückzuführen7.

Fraktur und Sturzprävention

Frakturen sind Ereignisse, die wesentlich zur Morbidität und Mortalität Älterer beitragen. Bei > 60-Jährigen wird das Risiko an einer erlittenen Fraktur zu versterben bei Frauen auf 44 bis 65 und bei Männern auf 25 bis 42 Prozent geschätzt2. Vitamin D wurde bislang vorwiegend als Knochen-Vitamin gesehen. In neueren Studien wird die Rolle von Vitamin D in der Muskelkrafterhaltung und Sturzverminderung hervorgestellt1. Ein solcher Effekt ist von großem klinischem Interesse, weil es die kombinierte Verminderung von Stürzen und Frakturen vorgibt4.

Barometer der Vitamin D-Gesundheit

Freiverkäufliche Vitamin D-Produkte, Multivitaminpräparate, gesunde Ernährung und viel an der frischen Luft sein ist in Deutschland nicht ausreichend, um einen optimalen D-Spiegel zu erreichen. Nutzt man ein gering dosiertes Vitamin D-Präparat und erhöht einfach nur die Menge, erhöht man ungewollt auch den Gehalt an Zusatzstoffen. Bei Erreichen eines optimalen D-Spiegels stellen sich unglaubliche Heilungserfolge ein, der Gesundheitszustand verbessert sich, das Krebsrisiko sinkt und die Lebenserwartung steigt7. Der optimale D-Spiegel sollte 80 bis 100 ng/ml betragen. Erfolgt der Therapiebeginn ohne vorherige Testung, ist die empfohlene Dosis 30.000 IE/Tag3. Nach drei Monaten empfiehlt sich eine Testung, um die Einnahme anzupassen. Treten in der 1. Woche der Einnahme Schmerzen auf, können diese bei Geringfügigkeit ignoriert werden oder die Dosis wird auf 15.000 IE reduziert und nach 8 Wochen wieder erhöht3.

25-OH-D-Spiegel in ng/ml Beurteilung

  • 300 Intoxikation
  • 150 Überdosierung
  • 100 bis 80 superguter Idealspiegel
  • 80 bis 60 Idealspiegel
  • 40 bis 60 ausreichend Versorgung
  • 40 bis 20 unzureichend Versorgung
  • < 20 ausgeprägter Vitamin D-Mangel
  • < 10 schwerer Vitamin D-Mangel

Toxizität

Professor Reinhold Vieth: „Wie bereits erwähnt, sind die über die Nahrung oder Nahrungsergänzungsmittel eingenommenen Mengen definitiv nicht toxisch. Wenn Sie es darauf anlegen und Vitamin D in riesigen Mengen konsumieren würden – 1 Million IE: können zur Hypercalcämie führen, aber auch diese ist wieder rückläufig bei Reduzierung der zu hohen Applikation“.

Dosierung von Vitamin D

Unsere tägliche Ernährung ist sehr kohlehydrathaltig. Kohlenhydrate werden als Fette gespeichert. Vitamin D ist fettlöslich und hat hier eine besondere Affnität. Fast alle Zellen, Organe und Gewebe benötigen ständig Vitamin D3. Bei einem Mangel an Vitamin D3 würden kleine Mengen wie von einem Schwamm aufgesaugt werden. Es dauert somit sehr lange, einen optimalen Spiegel einzustellen. In der täglichen Praxis hat sich zum schnellen Ausgleich eines Vitamin D-Mangels eine hoch dosierte Anfangstherapie bewährt, vergleichbar wie mit dem Auto. Kommt hier die rote Öllampe, muss dringend Öl nachfüllen werden. Ohne Öl werden Sie den Motor zerstören. Vitamin D-Mangel muss dringend ausgeglichen werden, sonst wird der Körper zerstört. Ölmangel am Auto gleichen Sie nicht durch 100 x nachfüllen von kleins- ten Mengen aus, sondern es wird einmal richtig aufgefüllt und gut. So auch beim Vitamin D-Mangel3. Der hoch dosierte Vitamin D3-Substitutionsbeginn ist wichtig, ganz besonders bei bestehenden Vorerkrankungen.

Viele Erkrankungen sind gekoppelt an einen niedrigen Vitamin D3-Spiegel und dessen Folgen wie der vermehrten Kalziumeinlagerung in den Weichgeweben. Ist der Patient zu Therapiebeginn an seinem oberen Level der Kompensationsmöglichkeiten, könnte es zu ernsthaften Komplikationen kommen (Schlaganfall, Herzinfarkt usw.). Mit Beginn der Vitamin D3-Substitution wird die Kalziumresorption erhöht. Es gelangt jetzt noch mehr Kalzium in die Weichgewebe, aber der Kalziumabtransport funktioniert noch nicht, dafür wird ein D3-Spiegel von mindestens 40 besser 60 ng/ml bei ausreichend vorhandenen Vitamin K2 benötigt. Um diese Spannbreite, Start bis höher 40 ng/ml schnell zu übergehen, ist ein hoch dosierter Start erforderlich.

Verhältnisprävention

Deutschland liegt zu nördlich für eine ausreichende Vitamin D-Produktion über die Haut. Jedes Jahr gibt es eine große Zahl Zuwanderer aus dem sonnenverwöhnten Süden nach Dunkeldeutschland. Diese Menschen sind an Sonne gewöhnt und fallen hier bei uns in ein Vitamin D3-Koma mit Werten unter 3 ng/ml. Die normale Ernährung aus dem Discounter bringt hier keine Hilfe und einmal 14 Tage Urlaub im Sommer ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Vitamin D3 wird von fast allen Zellen benötig, ist das Leitvitamin, was andere Vitamine und Mineralien zur Funktionsentfaltung benötigen, ist zwingend notwendig für den Knochenstoffwechsel und der Spiegel sinkt ständig. Knochen hat nicht nur die Halte- und Stützfunktion. Jede Zelle des Blutsystems, des Immunsystems und die Tumorkillerzellen werden im Knochen gebildet. Wenn aber der Knochen nicht mal mehr seine Halte- und Stützfunktion aufrechterhalten kann, werden alle nachfolgenden Aufgaben auch nur noch auf Sparflamme realisiert.

Dies erklärt den Zusammenhang mit vielen anderen Erkrankungen, so auch zu wenig Immunabwehrzellen, Coronaanfälligkeit. Wir sollten uns in der Medizin ein Beispiel am Straßenverkehr nehmen. Der Rückgang der Verkehrsunfälle ist nicht durch die Einsicht, Verbesserung im Fahrverhalten durch bessere Ausbildung/Führerschein, sondern vielmehr durch Investition im Straßen- und Fahrzeugbau erreicht worden. Die träge Masse Mensch zu bewegen ist schwer und man wird immer nur einen kleinen Teil an Mitmachern begeistern. Einfacher sind strickte kaum zu umgehenden Vorgaben, die eine gesundheitliche Entwicklung vorgeben. So wie zum Beispiel Gurtpflicht, Airbags, Leitplanken usw.11 In dem Umgang mit Corona ist Schweden einen anderen Weg gegangen. Aber hier lässt man den Bürgern nicht die Wahl. Vitamin D ist in den Nahrungsmitteln bereits integriert worden seit vielen Jahren.

Weitere Informationen unter www.moebius-dental.de oder bei Fortbildungen, zum Beispiel bei der Landeszahnärztekammer Sachsen (Kontakt: anders@lzk-sachsen.de), oder Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt (Kontakt: wiedmann@ zahnaerztekammer-sah.de)

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