Versuche mit Hühnern zeigten, dass es ohne Vitamin D zu schweren Missbildungen und zum Absterben der Embryonen kommt. Umgekehrt verschwinden diese Schäden bei Vitamin D-Gabe. Die Studie von Hollis zeigte, dass bei einer täglichen Gabe von 6400 IE in der Schwangerschaft alle typischen Risiken absinken, es kommt zu weniger Schnittentbindungen und weniger Komplikationen10. Erst ab einer täglichen Dosis von 6400 IE für die Mutter, enthält die Muttermilch genügend Vitamin D für den Säugling10. Kinder haben eine dünnere Haut und können von April bis September schneller Vitamin D bilden. Dennoch muss mit Präparaten zwingend ergänzt werden. Es sollte generell auf ölige Suspensionen ausgewichen werden8.
Zurzeit haben wir in der deutschen Bevölkerung einen durchschnittlichen Vitamin D3-Spiegel von 16 ng/ml. Ab 30 ng/ml laufen die Zellprozesse normal und ab 80 ng/ml läuft der Knochenstoffwechsel normal. Wird in den ersten 4 Lebensjahren nicht substituiert, entstehen viele Veranlagungen für spätere Krankheiten, der geistige IQ bleibt zurück, die Genetik wird negativ beeinflusst, das Kind kann sich nicht ideal entwickeln12,3.
Neuste Erkenntnisse in Bezug auf den Vitamin D- Stoffwechsel3
Nicht die Gene steuern die Zellen, sondern die Zellen steuern die Gene13. Vitamin D wirkt als Hormon, das hunderte Gene aktiviert. Circa 5 Prozent des gesamten Genoms werden durch Vitamin D angeknipst14. Es zeigt sich, dass die Gene lediglich eine Art Bibliothek mit zahlreichen Büchern darstellen, in denen der Bauplan des Menschen enthalten ist. Aber so wie ein Kochbuch nicht kochen kann, können die Gene allein mit ihren Informationen die Zellen nicht steuern. Jede Zelle organisiert individuell mit Hilfe eines komplexen Steuerungssystems die Nutzung dieses Genmaterials.
Das aktive Vitamin D3 geht direkt in den Nukleus, wo es das Epigenom verändert3. Der Vitamin D-Rezeptor kommuniziert mit dem Epigenom und löst eine vorübergehende Veränderung aus. Vitamin D3 trägt zur richtigen Programmierung unseres Epigenoms bei. So hilft Vitamin D3 die Immunzellen zu programmieren, dass sie besser reagieren und weniger chronische Entzündungen entstehen. Calcium-Hämostase und Immunsystem sind die Hauptfunktionen von Vitamin D.
Reaktion auf Vitamin D
Man muss Low-, Mid- und High-Responders unterscheiden. Es gibt Menschen, die sehr sensitiv auf kleinste Mengen von Vitamin D reagieren, das sind die sogenannten Hi-Responder. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die sehr hohe Dosen von Vitamin D benötigen. Zurzeit ist der Response-Index noch nicht zu messen. Vitamin D braucht einen ausgeglichenen, gleichmäßigen Spiegel, deshalb sollte täglich die gleiche Menge Vitamin D eingenommen werden. Eine wöchentliche oder monatliche Bolus Dosis verursacht einen scharfen Peak, der bei Vitamin D nicht erwünscht ist. Vergleichbar mit der Nahrungsaufnahme stellt man sich vor, man bekommt eine Woche nichts zu essen und am 7. Tag Essen in Hülle und Fülle, um danach wieder eine Woche zu hungern, aber man muss jeden Tag die gleiche anstrengende Arbeit erledigen. Besser ausgeglichen jeden Tag essen als nur einmal pro Woche.
Vitamin D-Mangel-Alarmierung
Es gibt kein spezielles Alarmzeichen, das auf ein D-Defizit hinweist. Es gibt viele unspezifische Faktoren, Reaktionen und Symptome, die auf ein D-Defizit hinweisen. Wenn Flüssigkeit fehlt, haben wir Durst, wenn Nahrung fehlt, haben wir Hunger. Schmerz zeigt, welche Körperstelle bedroht ist. In Gefahrensituation regiert der Körper mit der Flucht/ Kampfreflex. Reflexe schützen uns vor Schäden und sichern unser Überleben. Aber wo bleibt die Vitamin D-Mangelreaktion? Offenbar hat die menschliche Evolution nicht damit gerechnet, dass es Zeiten geben würde, wo Menschen zu wenig Sonnenbestrahlung direkt auf die Haut erhalten15.
Unspezifische Vitamin D-Mangel-Symptome
„Holick Test“ – Vitamin-Mangel-Test: Wird mäßiger Druck auf das Brustbein als schmerzhaft empfunden, liegt mit großer Wahrscheinlichkeit ein ausgeprägter Vitamin D-Mangel vor9.
Der Calciumspiegel zur D-Mangelerkennung
Ein normaler Kalziumspiegel im Blut erlaubt keine Rückschlüsse auf eine ausreichende Kalzium- oder Vitamin D-Versorgung. Der Organismus ist genötigt, die Kalziumreserven anzugreifen, um die Funktion der Nerven und Muskeln zu gewährleisten. Der Kalziumspiegel kann normal sein, obwohl die Kalziumverluste über die Nieren erheblich und die Kalziumaufnahme über den Darm schlecht ist. Der Organismus kann unter extremen Kalziummangel leiden und sich im Kalzium Sparmodus befinden, obwohl die Blutwerte normal sind. Eine Aussage über die Kalziumaufnahme und Verwertung ist nur unter Einbeziehung des Vitamin D-Spiegels möglich.
Typische Beschwerden bei Vitamin D–Mangel, MANOS8
Muskulkatur: Verkrampfungen, Zucken, Zittern, Vibrieren, Schmerzen, Muskelschwäche.
Die Funktion des Muskels ist von einer ausreichenden Kalziumbereitstellung abhängig. Denn die Kontraktion der Muskelzelle wird durch den Einstrom von Kalzium gestartet. Fehlt es aufgrund eines Vitamin D-Mangels an Kalzium, muss der Körper sparen und besonders nachts wird weniger Kalzium für die Muskeln bereitgestellt.
Adynamie: Kraftlosigkeit, Antriebslosigkeit, Energieverlust, Erschöpfung, Niedergeschlagenheit.
Kalzium hat eine extreme Reaktionsfähigkeit. Wird reines Kalzium in Wasser geworfen, führt dies zu einer heftigen chemischen Reaktion mit Zischen und Dampfen. Die Kalzium-Ionen im Organismus sind mit dem zu Vergleichen, was beim Verbrennungsmotor die Zündspannung ist. Ist diese herabgesetzt, ist der Verbrennungsprozess verlangsamt. Bei einem niedrigen Vitamin D-Spiegel ist die Kalziumversorgung gestört und folglich muss bei der Freisetzung des Kalziums gespart werden. Dieses geht zu Lasten der Muskelkraft.
Nervensystem: Störungen der Nervenfunktion, dadurch Schlafstörungen, ständige Müdigkeit, Abgeschlagenheit, hoher Schlafbedarf, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Rastlosigkeit und innere Unruhe, Verhaltensveränderungen, Koordinationsstörungen, deshalb Unsicherheiten beim Gehen und Stehen
Genau wie die Muskelzelle wird auch die Nervenzelle durch Einstrom von Kalzium aktiviert. Wenn wir nachts geweckt werden, sind unsere geistigen Leistungen zunächst schlecht. Bei Patienten mit schwerem Vitamin D-Mangel ist dies ein Dauerzustand. Ein Kalziumdefizit im Gehirn verschlechtert die geistigen Fähigkeiten.
Orthostase: Kreislauf und Durchblutungsstörungen, Kältegefühl besonders an Händen und Füßen
Wenn man aus liegender Position schnell aufsteht, reicht der Blutdruck mitunter nicht aus, alle Bereiche des Gehirns gut zu durchbluten, es wird einem schwarz vor den Augen. – Orthostase.
Ringmuskeln umschließen alle „blutgefüllten Schläuche“, so wie der Druckanzug eines Jet Piloten. Das verhindert, dass in einer Kurve durch Radialbeschleunigung das Blut in die Beine gepresst wird und im Gehirn fehlt. Bei Kalzium Mangel ist die Aktivität dieser Ringmuskeln verringert. Plötzliches Aufstehen in der Nacht kann zu Schwindelgefühlen führen. Bei ausgeprägtem Vitamin D-Mangel kann es am Tage zum Absacken des Blutdrucks mit Schwindel und Sehstörungen kommen. Schmerzen und Druckgefühl im Kopf sind die Folge. Sobald ein verminderter Druck in den Halsschlagadern entsteht, kommt es zur Notreaktion und Adrenalin wird zur Aktivierung der Ringmuskeln freigesetzt und um den Blutdruck zu stabilisieren. Adrenalin in hohen Dosen führt zum Verkrampfen der Gefäßmuskeln, was als Kopfschmerz spürbar wird.
Unruhiger Schlaf bei Vitamin D-Mangel entsteht über 2 Mechanismen. Zum einen durch die elektrische Instabilität der Nervenzellen, zum anderen durch die instabile Steuerung der Gefäßmuskulatur. Bei Vitamin D-Mangel ist die Aktivität des Kalzium-Systems herabgesetzt. Das Blut versackt in den zu weit geöffneten Arterien. Der Blutdruck sackt in kritische Bereiche. In dieser Notsituation schaltet sich das Adrenalin-System ein, um ein weiteres Absinken des Blutdrucks zu verhindern. Durch die anregende Wirkung des Adrenalins kommt es zum Aufwachen. Subtile Hinweise auf ungewollte Adrenalin-Aktivität könnten Schwitzen, Zappeligkeit und unruhiger Schlaf sein.
„Ich mag keinen Sport, davon wird mir schlecht“: Dies ist die Folge der plötzlichen Aktivierung des Adrenalin-Systems. Wer untrainiert mit Vitamin D-Mangel und Kalzium-Defizit losrennt, wird Übelkeit und Erbrechen verspüren. Kalte Hände und Füße oder weiße Finger sind auf die krampfartige Verengung der Ringmuskulatur zurückzuführen.
Skelettschäden: Osteoporose, Osteomalazie
Bei Vitamin D-Mangel ist die Kalziumaufnahme und Verwertung gestört. Bei säureüberschüssiger Nahrung (Fisch, Fleisch, Milch, Eier, Käse, Quark, Getreideprodukte, Kohlenhydrate, Zucker, Kaffee, Rauchen usw.) erhöht sich der Kalziumverlust noch weiter über die Nieren.
Um Herz und Gehirn funktionstüchtig zu halten, ist eine konstant hohe Konzentration von Kalzium-Ionen im Blut erforderlich. Doch das Kalziumdefizit infolge des Vitamin D-Mangels und erhöhtem Verlust über die Nieren kann nur gedeckt werden, indem der Körper die Kalziumreserven in den Knochen angreift. Dazu werden Knochenmassen an den Stellen abgebaut, die eine geringe statische Bedeutung haben, Schädelknochen und Brustbein.
Die Abnahme der Knochenmasse ist anfangs noch reversibel. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es jedoch zur Auflösung von Knochenbälkchen und damit zu bleibenden Schäden. Die Höhe und Form der Wirbelkörper ändern sich durch das Absinken der Wirbelsäule, es kommt zu Rückenschmerzen.
Bei starkem Vitamin D-Mangel wird die Mineralisation gestört, die Knochen werden weich und bei Belastung deformiert- Osteomalazie. Mit beginnender Vitamin D-Therapie dauert es minimal ein Jahr, bis sich der Knochenstoffwechsel normalisiert.
Vitamin D und Langlebigkeit
Vitamin D-Mangel mindert die Lebensqualität und erhöht das Risiko, vorzeitig zu sterben15. Zusätzliche hochdosierte Vitamin D-Gaben wirken bei älteren Menschen lebensverlängernd1. Die Lebenserwartung erhöht sich um 11 Prozent, wenn man Vitamin D3 einnimmt. Vitamin D2 zeigte keinen solchen Effekt4. Nach Grant bringt eine Erhöhung des Vitamin D-Wertes von 21,6 auf 44 ng/ml eine Absenkung der Sterblichkeit um 20 Prozent5,6. Eine Metaanalyse aus den USA mit 32 Studien aus 14 Ländern, einer durchschnittlichen Studiendauer von neun Jahren und 500.000 Teilnehmern kam zu dem Ergebnis, dass ein Vitamin D-Status von mehr als 30ng/ml die Sterblichkeit um 50 Prozent geringer ausfällt als bei Menschen mit einem ausgeprägten Vitamin D-Mangel7.
Ein Vitamin D-Status von mehr als 32 ng/ml verlängert deutlich die Telomere. Der Unterschied in der Alterung der Telomere betrug fünf Jahre zwischen den Frauengruppen mit durchschnittlich 32 ng/ml und 16,8 ng/ml11.
Vitamin D und Schlafen
Hohe Vitamin D-Dosen bringen erholsamen Schlaf. Nach circa zwei bis drei Monaten normalisiert sich das Schlafverhalten wieder. Melatonin ist das Schlafhormon. Es wird nachts im Körper produziert und bei einem Aufenthalt in der Sonne zerstört. Kann ein Patient schlecht einschlafen oder wacht nachts auf und kann nicht wieder einschlafen, kann die Vitamin D3-Applikation mit Melatonin ergänzt werden. Das Melatonin sollte direkt vor dem Schlafengehen bestenfalls als Mundspray angewendet werden. Die empfohlene Dosis liegt bei 75 mg2. Ist der Melatonin-Spiegel sehr niedrig, braucht es circa ein bis zwei Wochen zur Eingewöhnung. Melatonin hat einen beruhigen Effekt, selbst Träume werden angenehmer.
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Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5.1
Teil 5.2
Teil 5.3