In dem folgenden Artikel beschreiben wir unsere Protokolle bei Molaren in der posterioren Maxilla und Mandibula. Die zwei wichtigsten Voraussetzungen für eine Sofortimplantation finden auch hier Anwendung.
1. Voraussetzungen für Sofortimplantation
Das Implantat muss stabil eingedreht werden können. Die vorhandene Knochenquantität wird zur Klassifizierung der Defekte herangezogen. Man unterscheidet drei Typen eines Defektes (Abb. 1, Smith, Tarnow 2013).
Typ I: Das Implantat ist vollständig im Septum inseriert.
Die Alveole sollte aufmontiert werden. Das Augmentat kann auch nicht resorbierbar sein. Dieser Typ ist überwiegend im oberen 6er anzutreffen.
Typ II: Das Implantat ist im Septum stabilisiert, aber nicht vollständig in ihm inseriert. Es gibt eine Lücke zwischen Implantatwand und der Alveoleninnenseite.
Die leeren Räume müssen augmentiert w erden, optimaler Weise mit resorbierbaren Materialien. Dieser Typ ist sehr oft im unteren Molarenbereich anzutreffen.
Typ III: Das Septum ist nicht vorhanden. Das Implantat hat einen größeren Durchmesser und greift mit den Windungen an den Innenwänden der Alveole.
Es gibt Implantatdesigns, die extra für solche Situationen entwickelt wurden. Die Dicke der Alveolenwände am krestalen Anteil muss mindestens 2 mm betragen. Dieser Typ ist sehr oft im oberen 7er und bei unteren Molaren anzutreffen.
2. Voraussetzung für die Sofortimplantation
Mindestens 50 Prozent des Implantats müssen im ortsständigen Knochen verankert sein. Vor allem bei Typ II-Alveolen und teilweise auch bei Typ III ist eine Augmentation notwendig. Diese erfolgt im Sinne einer Socket-Preservation. Die Möglichkeit der Lappenbildung besteht zwar immer, macht aber bei der Sofortimplantation im Molarenbereich das Vorgehen aufwendig, da die bukkale Lamelle fehlt und ein Lappen angehoben werden muss. Dadurch versetzt man die vorhandene keratinisierte Gingiva nach krestal. Sie muss dann bei der Freilegung mittels apikalem Verschiebelappen repositioniert werden. In solchen Fällen kann die Spätimplantation in Betracht gezogen werden (ebenfalls mit Socket-Preservation). Der Bereich der krestalen Alveole wird der freien Granulation überlassen. Der Organismus bildet dort keratinisierte Gingiva, welche selten durch Transplantate optimiert werden muss.
Weitere Voraussetzungen für die Sofortimplantation
Der Grund der Extraktion ist für uns sehr wichtig. Karies, Frakturen und geringe Pfeilerwertigkeit aufgrund zu kurzer klinischer Zahnkronen sind vorteilhafte Situationen für eine Sofortimplantation. Aktive endontologische Probleme und periodontologische Pathologien stellen hingegen eine Kontraindikation dar. Auch eine geringe vertikale Knochenhöhe spricht gegen eine Sofortimplantation. Der interne Sinuslift beim Alveolen-Typ I ist keine Kontraindikation. Bei Typ II muss sorgfältig vorausgedacht werden: Die apikale Insertion des Implantats oder ein längeres Implantat erhöhen nicht zwangsläufig die Stabilität und die Erfolgschancen. Bei Typ II-Alveolen wird von einer gleichzeitigen Augmentation abgeraten. Bei Typ III-Alveolen ist der gleichzeitige interne Sinuslift kontraindiziert.
Durchführung der Osteotomien
Es werden zwei Vorgehensweisen diskutiert: Bei der ersten wird der Zahn bis zum Zahnfleisch gekürzt. Anschließend werden die Wurzeln separiert und schonend entfernt. Danach erfolgen die Pilotbohrung und die Erweiterung der Osteotomien. Bei der zweiten Vorgehensweise werden die Pilotbohrung und die erweiternde Osteotomie nach der Kürzung des Zahnes und vor Extraktion der Wurzel durchgeführt. Die zweite Methode hilft bei der richtigen Positionierung der Pilotbohrung, gleichzeitig ist sie jedoch technisch anspruchsvoller. Optimaler Weise wird die Pilotbohrung mit einem Diamant-Bohrer verbreitert, damit die Implantat-Bohrer leichter benutzt werden können. Wenn dies nicht geschieht, können die Bohrer schneller verschleißen und es entstehen Vibrationen, welche die bukkale Lamelle fakturieren lassen können (diese kann bei der Extraktion der Wurzeln nachgeben, was zu einer Augmentation mit Lappenbildung führen würde).
Die erste Methode eignet sich nicht, wenn der nicht erhaltungswürdige Zahn wurzelbehandelt ist; die Durchführung der Osteotomie vor Extraktion kann zur Fraktur der Wurzelwände und zu Komplikationen führen. Zugleich ist die Pilotbohrung bei Typ I und II schwieriger und bei Unachtsamkeit kann das Septum geschädigt werden. Der Operateur muss dann umdenken und eventuell das Implantat oder das Protokoll ändern.
Wundversorgung
Bei Typ I-Alveolen mit einer hohen Primärstabilität kann das Implantat mit einem Former versehen und das Emergenzprofil nach Einheilung mit steigenden Former-Durchmesser erweitert werden. Eine Freilegung entfällt.
Bei Alveolen des Typs II genügt es, wenn das Implantat und die Alveole mit Kollagen bedeckt und fixiert werden. Die Freilegung erfolgt leicht, oft auch durch Stanzen.
Bei Typ III-Alveolen sollte das Implantat und die Alveole krestal mit einer Membran bedeckt werden (eventuell diese nach oral und vestibulär unter dem Zahnfleisch umschlagen) und zusätzlich mit Kollagen-Fleece, damit sie nicht schnell proteolytisch abgebaut wird. Optional können nicht resorbierbare Membranen oder Tissue-Punches verwendet werden.
Implantatdesign
Das Implantatdesign spielt bei Sofortimplantation immer eine sehr große Rolle. Implantatkörper, Windungsdesign und Tiefe, Halsdesign und die krestalen Optionen des Implantats bieten sehr viele Vorteile. Das Implantat sollte eine konische Form haben; diese erreicht höhere Primärstabilitäten, vor allem im weichen Knochen. Die Windungen sollten vor allem bei Typ II und III aggressiver sein. Die Tiefe der Windungen sollte bei weicherem Knochen größer sein und bei härterem kleiner, damit diese Strecke schneller minimalisiert werden kann. Ein hybrides Design der Windungen – aggressiv schneiden apikal, kondensierend mittig und flacher krestal – nutzt die einzelnen Vorteile für die optimale Stabilität. Platform-Switching ist bei Typ I und II von großem Vorteil; für Typ III gibt es speziell entwickelte Implantate, die allesamt größere prophetische Plattformen ausweisen. Das Design des Implantathalses bietet bei modernen Systemen viele Vorteile. Da dieser Bereich des Implantats anfänglich oft nicht im Knochen greift, kann er kleindimensioniert sein und dadurch mehr Platz für Knochen krestal bieten.
Positionierung des Implantats
Bei der Positionierung des Implantats achten wir auf drei Dimensionen und zwei Inkarnationen. Das Implantat muss bei Einzelzahnlücken prophetisch optimal gesetzt werden. Mesiodistal halten wir mindestens 1,5 mm zu den Nachbarzähnen Abstand (Ausnahme untere Frontzähne, durchmesserreduzierte Implantate, Platform-Switching). Orovestibulär muss das Implantat in seiner Achse belastet werden können. Apiko-koronal ist die interproximale Knochenhöhe (IHB: interproxiaml hight of bone) sehr wichtig. Implantate ohne maschinierten Hals werden krestal oder leicht subkrestal gesetzt, während sie bei Sofortimplantationen und bei Systemen mit Platform-Switching subkrestal gesetzt werden. Bei den Inklinationen achten wir einerseits auf die mesiodistale Neigung der Implantate (damit die prothetische Versorgung realisiert werden kann) und auf die orovestibuläre Neigung (Neigung der Implantate zu der Okklusionsebene vor allem bei den Frontzähnen), damit wir auf abgewinkelte Abutments verzichten können und die Ästhetik nicht kompromittieren.
Prothetik
Obwohl der Fokus auf den chirurgischen Part gelegt wird, ist die Prothetik genauso entscheidend. Platform-Switching und eine konische Verbindung zwischen Abutment und Implantat resultieren zu mehr Knochen krestal und mehr Stabilität nach der prothetischen Versorgung. Freiendsituationen sollten eine konische Verbindung aufweisen. Schaltlücken zeigen gleich gute Ergebnisse auch ohne konische Verbindung. Konkave Abutments verhelfen zu mehr Weichgewebe krestal und schützen den krestalen Knochen damit langfristig vor Resorption.
Die Art der Versorgung möchten wir in diesem Artikel nicht sonderlich diskutieren. Heutzutage wird allerdings immer häufiger gescannt, die Kronen werden zunehmend CAD/CAM hergestellt und verschraubt.
Fallpräsentation
Die radiologische Untersuchung der Patientin (Abb. 2) zeigte eine Kronen-Wurzel-Fraktur in Regio 36, in oro-vestibuläre Richtung. Die Versorgung des Zahnes mit einer Krone hätte eine chirurgische Kronenverlängerung mit sich gezogen, resultierend zu einer sehr langen klinischen Krone. Die Wertigkeit des Pfeilzahnes war stark herabgesetzt (Abb. 3).
Die klinische Krone wurde bis zum Zahnfleisch gekürzt und die Wurzeln getrennt (Abb. 4). Die Pilotbohrung und die Osteotomien wurden vor der Extraktion der Wurzeln durchgeführt. Da der Zahn nicht wurzelbehandelt war, bestand nur eine geringe Gefahr, dass Teile der Wurzel bei den Bohrungen brechen. Das Septum war vollständig erhalten und die Osteotomie wurde optimal in der Mitte des Septums platziert (Abb. 5). Anschließend wurde ein 4.6 mm D und 10,5 mm L Implantat inseriert (Abb. 6). Hier handelte es sich um eine Typ II-Alveole. Die Wunde wurde mit Kollagen-Fleece bedeckt und mit 5-0 Prolene fixiert (Abb. 7 und 8).
Die Freilegung erfolgte nach zehn Wochen mit einer Stanze. Krestal sieht man einen breiten Kieferkamm ohne Volumenverlust und vestibulär ausreichend vorhandene keratinisierte Gingiva (Abb. 9 und 10). Radiolgisch ist vertikal kein Knochenverlust festzustellen, auch nicht nach zwölf Monaten nach Belastung des Implantats (Abb. 11).
Diskussion
In diesem Fall wurde das Implantat circa 1 mm unterhalb der bukkalen Lamelle und 2 mm unterhalb des IHB der Nachbarzähne gesetzt. Palatinal war es circa 1,5 mm nicht vom ortsständigen Knochen bedeckt, aber immer noch 1,5 mm unterhalb der palatinalen Lamelle. Eine Augmentation war nicht notwendig, die Extraktionsalveole wurde allerdings mit resorbierbaren Knochenaufbaumaterial gefüllt und mit Kollagen-Fleece abgedeckt. Bei Typ II-Alveolen dient die Augmentation dem Volumenerhalt, weil das Implantat im Knochen versenkt werden kann und nur krestal neue Knochenbildung erfolgen soll.
Bei einer geringen Knochenhöhe würden wir auf ein kürzeres Implantat zurückgreifen, zum Beispiel 8 mm L. Geringeres vertikales Knochenangebot stellt eine relative Kontraindikation dar; der Interne Sinuslift nach Sutherland führt zu Quetschverletzungen des Septums und oft zu Resorptionen, welche die Stabilität des Implantats in der Einheilphase unvorhersehbar beeinflussen können.
Die Sofortimplantation im Molarenbereich stellt eine wichtige Behandlungstechnik dar. Die Positionierung des Implantats ist nicht leicht. Wenn zwei Implantate gesetzt werden, Schaltlücke oder Freiendsituation und eine implantatgetragene Brücke geplant ist, kann die Implantation im Unterkiefer an der distalen Wurzel erfolgen. Im Oberkiefer kann man die distale Alveolenwand für die Insertion des Implantats vorziehen. Dadurch wird die Hygiene distal am posterioren Implantat erleichtert.
Schlusswort
Die Sofortimplantation im Molarenbereich ist nicht die einfachste Lösung für die Versorgung einer Einzelzahnlücke. Wenn man auf die Voraussetzungen für Sofortimplantationen achtet, die anatomische Gegebenheiten analysiert und das richtige System wählt, ist sie aber eine zuverlässige und vorhersagbare Technik mit vielen Vorteilen.