Aufgefrischt

Fotolia
ZÄ Silke Beringer

Radiologisch-klinische Befunde aus der Praxis

In unserer neuen Rubrik “Aufgefrischt” präsentieren wir Ihnen Inhalte, welche tagtäglich in der Praxis vorkommen und aufgrund von Streß übersehen oder fehlinterpretiert werden können. Im folgenden Beitrag zeigen wir Ihnen als radiologischen Befund Retinierte und extrem verlagerte UK (Weisheits)-Zähne.

Die Patientin wurde erstmalig mit unauffälliger Anamnese im November 2014 in unserer Praxis aufgrund von Beschwerden am Zahn 22 vorstellig. Es erfolgte eine Kariesexkavation mit indirekter Überkappung mittels Calcimol und einer direkten definitiven Kompositrestauration. Ferner wurde in separater Sitzung der kariöse Zahn 23 gefüllt und 2015 das IP-Programm durchgeführt. Zudem stellten sich die Zähne 38, 47 und 48 als retiniert und verlagert dar.

In 02/2016 erfolgte die Anfertigung eines OPGs in unserer Praxis. Die diagnostizierten Befunde führten zu weiteren konservierenden Behandlungsmaßnahmen. Die Panoramaschichtaufnahme zeigte eine Nichtanlage der Zähne 35, 45 mit Milchzahnpersistenz 75, 85, die Verlagerung des Zahn 38 aufgrund der Keimanlage in die Region des aufsteigenden Astes im UK, bzw. eine horizontale Verlagerung und Retention der Zähne 38 und 47 (Abb. 1).

Die Patientin nahm dem folgend keine weiterführenden Termine mehr wahr, bis Sie sich eigeninitiativ im Jahr 2020, wegen Beschwerden an den frakturierten Zähnen 11 und 21, erneut in unserer Praxis vorstellte.

Anhand der aktuellen Panoramaschichtaufnahme lässt sich eine zunehmende Destruktion des Zahnstatus erkennen; die Lage der retinierten wie auch verlagerten Zähne 38, 47, 48 ist, bis auf das nun abgeschlossene Wurzelwachstum bei 48, mit beginnender perikoronarer Zystenbildung, weitgehend unverändert (Abb. 2).

Projektionsbedingt kann man die genaue Lage dieser Zähne nicht exakt definieren, sodass weiterführende, diagnostische Maßnahmen, wie z.B. eine DVT, indiziert sein können. Im Vergleich zu einer einfachen Zahnextraktion ist in diesem Fall jedoch eine erweiterte, präoperative Diagnostik mittels DVT angezeigt. Die Lage des Weisheitszahnes und die Beziehung zum Canalis mandibularis müssen vor operativen Maßnahmen, zur Abschätzung des Komplikationsrisikos, bekannt sein, um bei gegebener Operationsindikation eine Nutzen-Risiko-Analyse sowie optimale Patientenaufklärung durchzuführen.

Gemäß der S2k-Leitlinie „Operative Entfernung von Weisheitszähnen“ zählt die „Ausgeprägte Verlagerung bzw. ektope Lage des Weisheitszahnes“ zu den Risikofaktoren bei der operativen Entfernung.

Die häufigsten Komplikationen sind:

  • Die Schädigung sensibler Trigeminusäste
  • Postoperative Infektionen
  • Schädigung des benachbarten Zahnes
  • Kieferfraktur
  • Peri – postoperative Blutungen
  • Anästhesiebedingte Komplikationen und
  • Postoperative Schwellungen und Schmerzen

Bei dem vorgestellten Befund ist mit allen aufgezählten Risiken zu rechnen, sodass die Behandlungsaufklärung – Planung – und Dokumentation sehr detailliert erfolgen sollte. Dahingehend empfiehlt die S2k Leitlinie, dass eine Indikation zum Belassen von Weisheitszähnen bestehen kann, wenn: „Bei tief impaktierten und verlagerten Zähnen ohne klinische bzw. radiologisch nachweisbare pathologische Befunde ein hohes Risiko operativer Komplikationen besteht“. Die differentialtherapeutische Entscheidung zwischen dem Belassen und dem Entfernen der Weisheitszähne und des Zahnes 47, sollte mit der Patientin in der Form argumentativ erörtert, diskutiert und nach dem vorteilhaftesten Behandlungsweg abgewogen werden.

Es wird interessant sein zu erfahren, wie sich die Patientin entscheidet.

Das Dental Barometer immer mit dabei

Mit unserem E-Paper haben Sie die Möglichkeit alle Ausgaben kostenfrei mobil auf Ihrem Smartphone, Tablet oder Laptop zu lesen.

barometer-online.info