Pulpotomie an bleibenden Zähne nach dem Konzept der Vitalen Pulpa Therapie

Georg Benjamin
Georg Benjamin

Pulpotomien sind bekannt aus der Kinderzahnmedizin. Wenn die Pulpa an einem Milchzahn eröffnet ist, wird nicht überkappt, sondern eine Pulp in Verbindung mit einer Stahlkrone durchgeführt. Dieses Konzept ist der Kinderzahnmedizin etabliert und funktioniert. Doch wie sieht es bei bleibenden Zähnen aus? Gibt es dort außer der direkten Überkappung keine weitere Vitalerhaltungsoption?

Abb. 4

Aus der Traumatologie kennen wir die Cvek Pulpotomie, eine partielle Pulpotomie die bei traumatisch frakturierten Frontzähnen nach bis zu 40 Tagen nach Trauma durchgeführt wurde und erfolgreich war (Cvek et al. 1993,1978).

Kann man diese Konzepte auf kariös eröffnete Pulpen übertragen? Wir wissen aus Studien von 2000 (Roulet et al. 2000), dass in diesem Fall die Prognose bei kariös eröffneten Pulpen schlecht ist und viele Zahnärzte leiten daraus ab das man lieber bei VitE durchführen sollte als die Vitalität der Pulpa zu erhalten. Neuere Studien die sich mit kariös eröffneten Pulpen beschäftigen kommen jedoch auf Erfolgsraten von über 90% bei partieller oder voller Pulpotomie(Aguilar et al. 2011).

Wie kann das sein? Und was hat sich geändert?

Während bei den klassischen Studien Cvek immer CAOH zum Einsatz kam ist seit Mitte der 90iger MTA kommerziell verfügbar. Aufgrund seiner Hydrophilität und Biokompatibilität  ist MTA 2,5 fach besser geeignet für Überkappungen (Mente et al. 2014). Doch gerade das erste kommerziell verfügbare Pro Root MTA wird unter Zahnärzten zu Recht als sehr teuer wahrgenommen und bei einem Einkaufspreis inkl. MwSt. von 66€ pro 0,5 g Packung für die Vitalerhaltung der Pulpa uninteressant. Mittlerweile sind jedoch MTA Hersteller auf dem Markt die Portlandzemente im für die Vitalerhaltung attraktiven 5€ Bereich anbieten. Dies ist interessant, weil die BEMA Position „P“ mit ca. 5€ bewertet ist.

Fallbeispiel:

Der Patient besuchte im Sommer 2016 die Praxis. Er hatte Beschwerden an dem  kürzlich restaurierten Zahn 14. Der Zahn war auf Perkussion positiv, Sensibilität deutlich positiv. Druckdolenz bestand weder palatinal noch bukkal. Auf dem angefertigten Röntgenbild(Abb. 1: 14 Prä-Op Röntgenbild) stellt sich das radiologische Pulpacavum mit einem Abstand von über 1mm zur Restauration dar. Aufgrund des Alters des Patienten (19) bestand der Verdacht auf einer akzidentellen Eröffnung eines Pulpahorns.

Neben der Therapieoption einer Wurzelkanalbehandlung wurde auch eine Pulpotomie vorgeschlagen.

Die Anästhesie erfolgte mit Ultracain (1/200000, Sanofi, Frankfurt am Main, Deutschland)  bukkal und palatinal Regio 14 (Abb. 2: Initial). Der Kofferdam (Nic Tone Heavy Blue, MDS, Mexiko)  wurde von 16 bis 13 angelegt und zusätzlich mit zwei doppelten Zahnseideligaturen fixiert (Abb. 3: Isolation unter Kofferdam). Die Füllung wurde vorsichtig entfernt(Abb. 4: Füllung entfernt). Die Pulpaeröffnung konnte dargestellt werden und es floss eitriges Sekret ab (Abb. 5: Darstellung Mikroabszess). Dieser Mikroabszess war sehr wahrscheinlich der Grund für die Klopfempfindlichkeit der Zahns. Der Kofferdam wurde mit 2% CHX Gel (Cerkamed, Stalowa Wola, Polen) behandelt um in aseptischer Technik  keimarm fortzufahren.  Nach einer initialen Pulpotomie mit sterilen Instrumenten konnte unter diesem Abszess vitales gut durchblutetes Pulpa Gewebe erkannt werden und es wurde eine volle Pulpotmie mit einem Batt Bohrer (857.314.014, Komet, Lemgo, Deutschland) durchgeführt. Die Blutstillung erfolgte mit NaCl. Die Pulpastümpfe wurden mit MTA+(Cerkamed, Stalowa Wola, Polen) abgedeckt das mit einem MTA Applicator (Cerkamed, Stalowa Wola, Polen) eingebracht wurde. Die Schichtdicke vom MTA beträgt ca. 2mm und wurde mit einem lichthärtenden GIZ (Ionoseal, Voco, Cuxhaven, Deutschland) abgedeckt.  Zur Entfernung der MTA Überschüsse wurde die Kavität danach mit 50 μm Aluminiumoxid (Ronvig, Daugaard, Dänemark) sandgestrahlt (Abb.6: Kavität nach Sandstrahlung). Die  adhäsive Behandlung des Zahns erfolgte mit Optibond FL (Kerr, Rastatt, Dutschland). Die Kompositrestauration wurde mit Venus Diamond Flow CL (Haraeus-Kulzer, Hanau, Deutschland), GC Geanial Universal Flo CV (GC Europe, Leuven, Belgien), Tetric Evo Ceram A3(Ivoclar, Schaan, Liechtenstein) in Trilaminar Technik hergestellt (Abb.7: Dentinkern Gc Flo CV)(Abb. 8: Fertigstellung unter Kofferdam). Nach Abnahme des Kofferdams wurde die Okklusion überprüft (Abb. 9: Okklusionskontrolle) und ein Röntgenbild erstellt (Abb. 10: Post Op Röntgenbild).

In einer Nachkontrolle nach 7 Tagen reagierte der Zahn nochmal auf Kälte und die Perkussionsempfindlichkeit war nicht mehr vorhanden (Abb. 11: Nachkontrolle 7 Tage Post Op).

Diskussion:

Aufgrund der klinischen Symptome handelte es sich hier um eine irreversible Pulpitis. Die Erfolgsrate eine Pulpotomie bei  irreversibler Pulpitis beträgt 80%(Asgary et al. 2015). Demgegenüber steht eine Erfolgsrate von 90% (Sjörgen 1990) bei einer komplikationslosen Vitalexpiration. Bei genauer Analyse des Röntgenbilds  (Abb.10) kann man erkennen, dass die Wurzelkanalbehandlung (WKB) durchaus etwas komplexer sein kann als erwartet. Vitale Pulpa Therapie (VPT) ist hingegen einfach durchführbar und hat eine geringere Fehleranfälligkeit als eine WKB.

Obwohl VPT keine minimalinvasive Behandlung ist, schließt sie aber eine wichtige Lücke in unserem „Redentistry circle“ und ist eine erstzunehmende Alternative zur direkten Überkappung.

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