Falldarstellung Anamnese und Diagnose
Die 22-jährige Patientin stellte sich im Sommer 2019 zur Kontrolluntersuchung in der Praxis vor. Die allgemeine Anamnese ließ keine Auffälligkeiten erkennen, allerdings handelte es sich um eine Angstpatientin. Im Rahmen der zahnmedizinischen Anamnese berichtete sie von einem leichten Druckgefühl beim Kauen im oberen linken Kieferbereich. In der gleichen Region habe sie zudem einen zeitweise anschwellenden „Pickel“ am Gaumen bemerkt.
Der intraorale Befund zeigte eine suffiziente Kompositfüllung großer Ausdehnung an Zahn 26. Die Vitalitätsprüfung dieses Zahns lieferte ein negatives Ergebnis, der Perkussionstest wiederum ein positives. Im Bereich der palatinalen Wurzel Regio 26 ließ sich ein Fistelgang erkennen (Abb. 1). Abgesehen davon erwiesen sich der Zahnstatus sowie die Sondierungstiefen als unauffällig, sodass auf ein gesundes Parodontium geschlossen werden konnte.
Mithilfe einer klassischen Röntgenaufnahme konnte an der mesiobukkalen Wurzel des Zahns 26 eine apikale Aufhellung mit einem Durchmesser von circa zwei Millimetern festgestellt werden (Abb. 2). Der Zustand der palatinalen Wurzel ließ sich mithilfe dieses Röntgenbildes jedoch nicht beurteilen. Zudem zeigte die Aufnahme an Zahn 26 einen erweiterten Parodontalspalt im Bereich der mesiobukkalen Wurzel, so dass hier eine subakute Parodontitis apicalis diagnostiziert werden konnte.
Erste Behandlungssitzung
In der sich unmittelbar anschließenden ersten Behandlungssitzung wurde zunächst bukkal und palatinal eine Infiltrationsanästhesie vorgenommen. Nach dem Anlegen von Kofferdam erfolgten dann unter Zuhilfenahme eines Dentalmikroskops (6,4-fache Vergrößerung) die Trepanation des Zahns 26 und die Darstellung seiner vier Wurzelkanäle (Abb. 3).
Vor der Erweiterung der Kanaleingänge mit einem reziprok arbeitenden Feilensystem (Abb. 4 bis 6, WaveOne Gold, Größen Small und Medium) und einem Gatesbohrer wurde eine Spülung mit dreiprozentigem Natriumhypochlorit vorgenommen. Zur Herstellung des Gleitpfades kam eine Gleitpfadfeile der ISO-Größe 15 zum Einsatz (WaveOne Gold Glider), für die endometrische Längenmessung fand ein Apex-Locator (Propex Pixi) Verwendung.
Nach den einzelnen Feilengängen wurde jeweils auf das folgende Spülprotokoll zurückgegriffen: 1. Spülung mit erwärmtem und hydrodynamisch aktiviertem (Abb. 7, EndoActivator) Natriumhypochlorit (dreiprozentig), 2. Zwischenspülung mit physioligischer Kochsalzlösung und 3. Spülung mit Chlorhexidin (zweiprozentig).
Im Anschluss an die finale Spülung wurde zweiprozentiges Chlorhexidin in den Wurzelkanälen belassen und eine temporäre Einlage auf Kalziumhydroxid-Basis (Abb. 8, AH Temp) eingebracht. Danach wurde der Zahn mithilfe eines fließfähigen Universalkomposits (Ceram.x Spectra ST flow) temporär verschlossen. Mit dem Hinweis auf die Wahrnehmung des Folgetermins verließ die Patientin die Praxis.
Zweite Behandlungssitzung
Zur zweiten Behandlungssitzung erschien die Patientin bereits deutlich entspannter. Seit dem ersten Termin habe sie keinerlei Beschwerden mehr gehabt. Auch der zuvor deutlich sichtbare Fistelgang war mittlerweile nicht mehr zu erkennen.
Analog zur ersten Behandlung erfolgte nach der Infiltrationsanästhesie unter Kofferdam zunächst die Trepanation des Zahns 26 unter dem Dentalmikroskop (6,4-fache Vergrößerung). Anschließend wurden die Wurzelkanäle nacheinander einer Spülung mit physiologischer Kochsalzlösung und erwärmtem dreiprozentigen Natriumhypochlorit unterzogen. Eine erneute Längenmessung mit dem Apex-Locator (Propex Pixi) gab Aufschluss über die Arbeitslängen der einzelnen Kanäle. Beide mesiobukkalen Kanäle wiesen demzufolge eine Arbeitslänge von 20,5 Millimetern auf, während der distobukkale Kanal auf genau 20 Millimeter und der palatinale Kanal auf 23,5 Millimeter kamen.
Die Aufbereitung der vier Wurzelkanäle erfolgte schließlich mit dem zuvor schon eingesetzten reziprok arbeitenden Feilensystem (WaveOne Gold, Größe Large). Nach jedem Feileneinsatz wurde mit erwärmtem dreiprozentigen Natriumhypochlorit gespült. Unmittelbar vor der Wurzelfüllung kam dann zunächst physiologische Kochsalzlösung vor der Verwendung von 17-prozentiger Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) zum Einsatz, anschließend erneut physiologische Kochsalzlösung und zweiprozentiges Chlorhexidin. Die Aktivierung von Natriumhypochlorit und EDTA erfolgte dabei erneut hydrodynamisch (Abb. 9, EndoActivator).
Auf die Trocknung der Wurzelkanäle folgte dann ihre Füllung. Hierfür wurden in Größe und Geometrie speziell auf das Feilensystem abgestimmte Guttapercha Stifte (Abb. 10, WaveOne Gold) sowie ein röntgenopakes Wurzelkanalfüllungsmaterial (AH Plus) verwendet. Danach wurde die Kavität gereinigt und getrocknet sowie ein Universaladhäsiv appliziert (Prime&Bond active), bevor die Kanaleingänge und das zentrale Cavum mit einem fließfähigen Bulkfillkomposit (Abb. 11, SDR flow+) aufgefüllt wurden.
Für die Wiederherstellung der Krone und insbesondere die Kontaktpunktgestaltung kam daraufhin ein Teilmatrizensystem zum Einsatz (Palodent V3). Es erleichterte das Einbringen der Deckschicht aus einem Universalkomposit (Ceram.x Spectra ST, Farbton A3) und die Modellation der okklusalen Struktur von Zahn 26. Die Aushärtung der Füllung wurde anschließend mit einer LED-Polymerisationslampe (SmartLite Pro) vorgenommen. Nach der Ausarbeitung der Füllung und der Kontrolle der Okklusion konnte dann abschließend die Politur der Restauration mithilfe eines Finiersystems (Enhance mini) erfolgen.
Diskussion
Wie in der Falldarstellung beschrieben, konnte die subakute Parodontitis apicalis in zwei Behandlungssitzungen therapiert und der betroffene Zahn in Funktion und Ästhetik wiederhergestellt werden.
Nach einem erneuten Besuch der Patientin in der Praxis, rund zwei Monate nach der Erstbehandlung, ist die Prognose als gut einzuschätzen. Der Zahn war auch zu diesem Zeitpunkt weiterhin symptomlos und eine Längsfraktur konnte ausgeschlossen werden. Mittelfristig sollte der Zahn prothetisch versorgt werden.
Für die Behandlung kam mit „R2C – The Root to Crown Solution“ ein umfassendes Behandlungskonzept zum Einsatz. Es beinhaltet Materialien und Instrumente für alle Arbeitsschritte von der Präparation der Zugangskavität bis zur Wiederherstellung der Krone durch eine direkte oder indirekte Restauration.
Aus den verwendeten Komponenten ist aus Sicht des Autors insbesondere das Feilensystem Wave-One Gold hervorzuheben. Es sorgt nicht nur für eine zeitsparende und somit effiziente Arbeitsweise, sondern bietet dank der Materialeigenschaften der Feilen (hohe Flexibilität und Bruchfestigkeit) auch ein hohes Maß an Sicherheit. Insbesondere Generalisten dürften von der schnellen und zuverlässigen Arbeitsweise des Systems profitieren.
Da für den endodontischen Erfolg zudem die gewissenhafte Spülung der Wurzelkanäle von besonderer Bedeutung ist, stellt auch der EndoActivator ein entscheidendes Hilfsmittel dar. Denn mit seiner Hilfe lässt sich sicherstellen, dass die Spüllösung möglichst vollständig in die Wurzelkanäle gelangt, wodurch sich die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöhen lässt.
Mit Blick auf die restaurative Versorgung des Zahns erwies sich insbesondere das fließfähige Bulkfillkomposit SDR flow+ als vorteilhaft. Es ließ sich sehr gut applizieren und verfügte über eine, für ein fließfähiges Material, geringe Schrumpfung bei der Polymerisation. Die hierfür verwendete Polymerisationslampe lässt sich dank eines zusätzlichen Aufsatzes übrigens auch für die Kariesdiagnostik verwenden – und ermöglicht es auf diese Weise, in bestimmten Fällen auf die Anfertigung eines Röntgenbildes zu verzichten und somit die Strahlenbelastung für die Patienten zu reduzieren.
Fazit für die Praxis
Mit R2C steht der Praxis ein stimmiges Behandlungssystem für die endodontische Therapie mit anschließender postendodontischer Versorgung zur Verfügung. Das Konzept ist gut durchdacht, umfasst eine Reihe von überzeugenden Einzelprodukten und kann darüber hinaus als Leitfaden für alle Schritte von der Zugangskavität bis zur finalen Restauration betrachtet werden. In diesem Sinne trägt R2C zu einer Vereinfachung des endodontisch-restaurativen Workflows bei und sorgt gleichzeitig für eine hohe Qualitäts- und Ergebnissicherheit.