CMD und pathologische Schluckstörung

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Claudia Sterling

Die Craniomandibuläre Dysfunktion geht im folgenden Patientenfall mit einer pathologischen Schluckstörung einher. Verbessert und stabil gehalten werden, kann die Situation nur, indem Zahnärztin, Manualtherapeutin, Logopäde und Orthopäde eng zusammenarbeiten.

Die 35-jährige Patientin ist zweifache Mutter und geht ein- bis zweimal die Woche zum zeitgenössischen Tanz. Außerdem geht sie joggen. Für die Nacht ist sie mit einer Entspannungsschiene versorgt. Sie kam mit dem ärztlichen Befund CMD zu uns. Außerdem stellte ihre Zahnärztin eine Myopathie links fest und verordnete ihr zehnmal Manuelle Therapie.

Teaser Lantronge Zahnlaengenaenderungen

Behandlungszeitraum

  • 22. August 2016 bis 23. September2016
  • Ein bis zweimal die Woche

Subjektiver Befund

  • Latente Beschwerden im Unterkieferbereich beidseits, links > rechts
  • Schmerzzunahme im Tagesverlauf und beim Kauen
  • Begleitet von häufigen Kopfschmerzen und ständigem Nacken- und Schulterschmerz

Objektiver Befund

Orientierende Untersuchung

  • Haltungsschwäche mit verstärkten Wirbelsäulenkrümmungen vor allem im HWS-BWS-Bereich mit ventraler Lotverlagerung, Kopfvorhalte, Protraktion und Innenrotation beider Schultern
  • Bewegungseinschränkungen des Schultergürtels bei maximaler Arm-Anteflexion
  • Rotationseinschränkungen der HWS nach rechts mit und ohne angezogenem Kinn
  • Kopfschiefhaltung mit Lateralflexion rechts und Rotation links (Abb. 1)
  • Hinweiszeichen auf ein oberes gekreuztes Syndrom nach Janda
  • Abweichen des Unterkiefers nach rechts beim Zubeißen (Abb. 2) und Pressen der Zunge gegen die Schneidezähne als Hinweiszeichen auf eine pathologische Schluckstörung (Abb. 3)
  • Deflexion nach rechts bei Mundöffnung mit dezentem Knackphänomen links (Abb. 4)
  • Abstandsmessung der Mundöffnung regelgerecht (40 mm)
  • Positive Schmerzpalpation um beide Kiefergelenke
  • Positive Spannungspalpation im Bereich ober- und unterhalb der Mandibula sowie suboccipital und im ventralen und dorsalen Bereich der oberen Thoraxapertur

Gezielte Untersuchung

  • Schmerzhafte Verspannungen mit TrP des M. masseter, M. temporalis und Mm. pterygoidei rechts > links
  • Außerdem Verspannungen mit verminderter Verlängerbarkeit der supra- und infrahyoidalen Muskulatur, des M. sternoclaidomastoideus, Mm. scaleni, Mm. suboccipitales, M. trapezius pars deszendenz und M. levator scapulae, Mm. pectorales rechts > links
  • Restriktionen der oberflächlichen und mittleren Halsfaszie sowie dem Platysma rechts > links
  • Gehemmte/insuffiziente tiefe Halsbeuger mit Stereotypstörung der Kopfanteflexion, Hemmung/Insuffizienz der unteren Schulterblattfixatoren und aufrichtenden thorakalen Rumpfmuskulatur
  • Inkoordiniertes Schlucken mit Verspannungen der Zungenmuskulatur (siehe Erläuterung)
  • Gelenkfunktionsstörungen/Blockierung des Kiefergelenkes rechts, O/C, C6 bis Th1 mit erster Rippe rechts
  • Bewegungseinschränkung des Hyoids nach links
  • Gelenkfunktionsstörungen im SCG und ACG bei eingeschränkter Scapulamobilität rechts

Behandlung und Therapieverlauf

Erster bis fünfter Behandlungstag

  • TrP-Behandlung
  • Gezielte Mobilisation und Traktion des rechten Kiefergelenkes sowie gezielte Mobilisation O/C1 und des CTÜ
  • Gezielte passive und aktive Detonisierung der Kaumuskulatur, der supra- und infrahyoidalen Muskulatur und Mm. suboccipitales
  • Mobilisation des Hyoids
  • Relaxation der Halsfaszien und Platysma
  • Aufklärung, Anleitung und Verhaltensschulung für einen entspannten Kiefer sowie Zungenlage
  • Empfehlung kein Kaugummikauen

Sechster bis zehnter Behandlungstag

  • Fortführung der Detonisierung restriktiver Strukturen
  • Mobilisation SCG, ACG und Scapula
  • Aktive Detonisierung der Mm. scaleni, M. sternoclaidomastoideus, Mm. pectorales, M. trapezius pars deszendenz und M. levator scapulae
  • Gezielte Aktivierung der Antagonisten und Haltungsschulung

Die Zungenruhelage

Die Zunge liegt locker im Mundboden, das vordere Drittel hat leichten Kontakt zum harten Gaumen. Der Mund ist geschlossen, die Zähne liegen nicht aufeinander. Die Kiefermuskulatur ist entspannt.

Physiologisches Schlucken

Der Mund ist geschlossen. Durch die Aktivität der Kaumuskulatur schließen sich die Zähne. Der vordere Teil der Zunge wird hoch an den harten Gaumen gepresst, der mittlere Teil an den Gaumen gesaugt. Der hintere Teil wird an den Gaumen gedrückt, um den Nasenrachenraum zu verschließen und der Schluckreflex wird ausgelöst.

Pathologisches Schlucken

Eingeleitet durch eine unphysiologische Ausgangslage der Zunge, nimmt diese beim Schlucken unter-schiedliche Stellungen ein. Die Zungenspitze drückt sich gegen oder zwischen die Front- und/oder Backenzähne. Das mittlere Zungenteil hebt sich nicht gegen den harten Gaumen. So richtet sich die Kraft beim Schlucken ständig (ein bis zwei Schluckvorgänge pro Minute) gegen die Zähne und nicht gegen den harten Gaumen.

Behandlungsergebnis

Die subjektiven Beschwerden der Patientin haben sich relativ gebessert. Nach wie vor bestehen belastungsabhängige Verspannungsbeschwerden im Schulter-Nackenbereich. Der objektive Befund der Kiefergelenksfunktionsstörungen hat sich deutlich gebessert. Eine leichte Deflexion durch hypertone Kaumuskulatur rechts (Abb. 5) ist noch erkennbar, sollte sich bei regelmäßigem Tragen der Entspannungsschiene und Beachten der erlernten Verhaltenstechniken aber allmählich verlieren. Der Kontrolltermin beim behandelnden Zahnarzt ist unablässig.

Die Gelenkfunktionsstörungen im Kopfgelenks- und CTÜ-Bereich sowie im SCG und ACG sind erfolgreich mobilisiert. Weiterhin bestehen aber Muskelspannungsstörungen im Bereich der oberen Thoraxapertur.

Um den Behandlungserfolg zu stabilisieren und zur Rezidivprophylaxe ist die Behandlung durch den Logopäden unbedingt zu empfehlen. Dadurch soll das fehlerhafte Schluckmuster korrigiert und dauerhafte Verspannungen durch die Zungenmuskulatur vermieden werden. Die Überweisung erfolgt durch den behandelnden Zahnarzt.

Zur erweiterten ärztlichen Diagnostik der Schulter-Nackenbeschwerden ist die Überweisung zum Orthopäden oder Facharzt für Prävention und Rehabilitation zu empfehlen, um gegebenenfalls die begonnene physiotherapeutische Behandlung fortzuführen. DB

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