„Man muss schon einen langen Atem haben,
aber es lohnt sich“

Interview mit Dr. Gerhard Schmalz

Dr. Gerhard Schmalz hat zusammen mit seiner Arbeitsgruppe von der Universitätsklinik Leipzig ein Konzept zur Detektion von (Prä-) Diabetes entwickelt und erhielt dafür den Präventionspreis „Medizin und Zahnmedizin – Prävention verbindet“ von der Bundeszahnärztekammer und CP GABA. Stefanie Ullmann sprach mit ihm über die Umsetzbarkeit in der Praxis und die Hürden, die Zahnärzte nehmen müssen.

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Sie sind im Oktober mit dem Präventionspreis „Medizin und Zahnmedizin – Prävention verbindet“ ausgezeichnet wurden. Ihre Arbeitsgruppe hat den zweiten Platz belegt. Was bedeutet Ihnen der Preis?

Dr. Gerhard Schmalz Wir freuen uns besonders über die Aufmerksamkeit, die unsere Forschung in diesem Zusammenhang erhält. Wenn wir unser Projekt auf wissenschaftlichen Tagungen vorstellen, dann bekommen wir niemals eine so große Plattform wie mit diesem Preis. Jetzt kommen wir mit unserem Thema in die Öffentlichkeit.

Mit der Forschung, die wir betreiben, sind wir ja eher Exoten. In der Zahnmedizin wird hauptsächlich zu Grundlagen, Material und Therapieoptionen geforscht, was ja auch sehr wichtig ist. Viele Versorgungsprobleme haben wir bisher aber noch nicht zu 100 Prozent erkannt. An diesem Punkt hat unsere Arbeitsgruppe in den letzten Jahren angesetzt. Wir wollten schauen, wie die Zahngesundheit bei zahnärztlichen Risikopatienten aussieht. Dazu haben wir zahlreiche klinische Studien gemacht und Dialyse-, Transplantatpatienten und Menschen mit Rheuma-Erkrankungen untersucht. Sie alle haben eines gemeinsam: Ihre Mundgesundheit ist katastrophal. Im Rahmen dieser Forschungen ist auch das Diabetes-Screening entstanden, das in der Praxis gut umsetzbar ist und mit dem man ein solches Thema gut nach vorne bringen kann.

Wie haben Sie das Diabetes-Screening entwickelt?

Dr. Gerhard Schmalz Wir haben zunächst mit einer Pilotstudie in einer Zahnarztpraxis in Braunschweig gestartet. Dabei haben wir 100 Patienten mit dem FindRisk-Fragebogen gescreent. Dieser ist von einer finnischen Arbeitsgruppe entwickelt und durch uns auf Deutsch angepasst worden. In einem ersten Schritt wollen wir herausfinden, ob wir damit unbekannte Diabetesfälle detektieren können. Diese Frage konnten wir ganz klar mit „Ja“ beantworten. Bei unserer Untersuchung haben wir aber festgestellt, dass die Spezifizität, also die Menge an falschpositiven Resultaten relativ ungünstig war. Das wiederum würde sich bei der Umsetzung in der Praxis natürlich als problematisch auswirken. Für das Konzept war es besonders wichtig, dass wir als Zahnärzte schon eine gute Vorauswahl treffen können, um wirklich Hochrisikopatienten herauszufiltern.

Wie konnten Sie die Spezifizität verbessern?

Dr. Gerhard Schmalz Wir haben ein statistisches Modell erstellt und herausgefunden, dass das Vorliegen einer Parodontitis, vor allem einer schweren Parodontitis, die Spezifizität deutlich erhöht. Daraus haben wir dann die Schlussfolgerung gezogen, dass bei Patienten mit einer schweren Parodontitis, die diesem Screening unterzogen und dabei als Hochrisikopatient identifiziert werden, in acht von zehn Fällen tatsächlich eine diabetologische Auffälligkeit vorliegt.

Wie setzen Sie das Konzept nun konkret in Ihrer Praxis um?

Dr. Gerhard Schmalz Wenn neue Patienten bei uns in der Zahnarztpraxis aufgenommen werden, dann gibt es für diese eine Neupatientensprechstunde. Sollten wir dabei einen parodontalen Behandlungsbedarf feststellen, dann erhalten sie einen weiteren Termin in unserer Parodontitis-Sprechstunde. Das ist eine Spezialsprechstunde für Patienten mit Parodontalerkrankungen. In Vorbereitung auf diesen Termin füllen die Patienten den Diabetes-Fragebogen entweder im Wartezimmer oder manchmal auch bereits zuhause aus. Er ist in eine Parodontitis-Anamnese eingebettet, die als Ergänzung zur normalen Anamnese dient. Als Ergebnis erhalte ich einen Punktwert. Überschreitet dieser eine spezielle Grenze– basierend auf der Pilotstudie haben wir für uns die Zahl Zwölf festgelegt, weil wir auch Prä-Diabetesfälle entdecken wollen – bekommen die Patienten einen Arztbrief für den Hausarzt oder Diabetologen mit. Darin schreiben wir, dass wir mit Hilfe des FindRisk-Fragebogens ein hohes Diabetesrisiko festgestellt haben, gleichzeitig eine Parodontitis vorliegt und empfehlen die diabetologische Abklärung.

Das klingt wirklich einfach umzusetzen.

Dr. Gerhard Schmalz Absolut. Ich sehe in dem Konzept nicht nur eine Chance, den praktisch tätigen Zahnarzt für das Thema zu sensibilisieren. Ich möchte auch verdeutlichen, dass man mit wirklich einfachen Maßnahmen viel für die Gesamtgesundheit tun kann. Gleichzeitig schaffen wir damit auch ein Bewusstsein bei den Patienten, dass die Mundgesundheit Einfluss auf den gesamten Körper nimmt. Die Auswertung des Diabetes Screenings dauert nur eine Minute. Das ist eine Zeit, die ich mir im Praxisalltag nehmen kann, auch wenn wir heutzutage alle unter wirtschaftlichem Druck stehen.

Wie haben die Hausärzte und Diabetologen auf die Überweisung vom Zahnarzt reagiert?

Dr. Gerhard Schmalz Sehr unterschiedlich. Mit unserer Praxis in Südwestsachsen befinden wir uns eher in der ländlichen Region und haben dadurch einen großen Vorteil: Wir können den Kontakt zu den Kollegen leichter herstellen als beispielsweise in der Großstadt. Unabhängig davon ist es aber natürlich so, dass man es nicht unbedingt leicht, wenn man den Patienten als Zahnarzt einfach so zum Allgemeinmediziner überweist. Das ist uns durchaus bewusst. Deshalb sehe ich es gleichzeitig als große Aufgabe von uns Zahnärzten auf die Allgemeinmediziner zuzugehen und den ersten Schritt zu machen. Man muss hartnäckig sein und sich nicht so schnell demotivieren lassen. Man muss schon einen langen Atem haben, aber es lohnt sich.

Herr Dr. Schmalz, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben und viel Erfolg weiterhin bei Ihren Forschungen.

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