Problem Knochenabbau
Parodontitis ist ein weit verbreitetes Problem: Die Prävalenz beträgt bei 35- bis 44-Jährigen aktuell 52 Prozent, bei 75- bis 100-Jährigen sind sogar 90 Prozent von einer moderaten oder schweren Form der Zahnfleischerkrankung betroffen. 1) Infolge des demographischen Wandels wird die Zahl der Patientenfälle mit parodontalen Vorerkrankungen und Knochenschwund weiter ansteigen – gleichzeitig ist eine Fortsetzung des Trends hin zu festsitzendem Zahnersatz anzunehmen. Patienten mit Knochenschwund und dem Wunsch nach Implantaten werden vermutlich immer häufiger in zahnärztlichen Praxen vorstellig werden.
Zur stabilen Verankerung des Implantats sind ein, besser zwei Millimeter Knochensubstanz rund um das Implantat von Nöten. Für die Rekonstruktion des fehlenden Materials gibt es verschiedene Verfahren, die sich bezüglich Aufwand und Kosten unterscheiden und je nach individueller Mundsituation des Patienten zum Einsatz kommen. Ist ein Knochenaufbau im Oberkiefer durchzuführen, ist die Sinusbodenelevation das Mittel der Wahl.
Ein- oder zweiphasiger Sinuslift?
Der zweiphasige Sinuslift erhält oftmals den Vorzug: Die Durchführung der Implantation nach einer gewissen Einheilzeit gilt als sicherer. Tatsächlich kam eine ältere Studie mit kleiner Teilnehmerzahl zu dem Ergebnis, dass das Risiko des Implantatverlusts beim einphasigen Sinuslift doppelt so hoch sei, ohne Einbußen in der Rehabilitation mit sich zu bringen. 2) Die Anwendung moderner Verfahren, wie der Piezochirurgie, und die gewissenhafte Messung des RFA-Wertes (Resonanz-Frequenz-Analyse) ermöglicht es jedoch, den einphasigen Sinuslift auch ohne Stabilitätsverluste und mit höheren Erfolgsraten durchzuführen.
Ein Vorteil des einphasigen Sinuslifts gegenüber einer Augmentation mit nachgelagerter Implantation ist die geringere Belastung des Patienten und die niedrigeren Kosten, die bei vielen Patienten bei der Abwägung verschiedener prothetischer Versorgungsoptionen eine große Rolle spielen. Laut einer Befragung sind das die beiden Gründe, warum sich Implantologen für einen einphasigen Sinuslift entscheiden. 3)
Leichtere Anhebung der Schneider-Membran dank Piezochirurgie
Bei der Piezochirurgie handelt es sich um ein minimalinvasives Verfahren, das in vielen verschiedenen Bereichen der Zahnheilkunde angewandt werden kann. Speziell in der Implantologie sorgt die Übertragung von Ultraschallwellung auf das chirurgische Instrument nicht nur für eine selektive Behandlung des Gewebes, sondern auch für eine schonendere Abtragung von Knochenmaterial als bei schnell drehenden Geräten. Ein weiterer Vorteil ist eine bessere Wundheilung, da auch bei Berührung des Gewebes keine Verletzungen entstehen (Abbildung 1).
Einer Studie mit geringer Teilnehmerzahl ist zu entnehmen, dass nach einer piezochirurgischen Behandlung bei einem Drittel der Patienten ein Ausbleiben der Schwellung zu beobachten ist, was nur bei 11 Prozent nach einer konventionellen Therapie der Fall ist. (4) Außerdem ist nicht mit längeren, sondern sogar mit kürzeren Operationszeiten zu rechnen, da Blutungen geringer ausfallen und präziser gearbeitet werden kann.
Speziell beim externen Sinuslift sorgt die Piezochirurgie für ein einfacheres Anheben der feinen Schneider-Membran und für ein verringertes Risiko für Perforationen. Ultraschallaktivierter Wasserdruck löst die Membran, damit eine Anfüllung des so gewonnenen Raumes möglich ist und die Implantation direkt im Anschluss stattfinden kann.
Eine Untersuchung an 100 Patienten zeigte, dass der einphasige Sinuslift in Verbindung mit dem Piezogerät eine Implantationserfolgsrate von 100 Prozent ermöglichte – trotz dem gelegentlichen Auftreten von Perforationen, die nicht zum Abbruch der Behandlung führten. 5) Damit bietet sich die Piezochirurgie gerade bei Risiko- oder bei älteren Patienten an, die Operationen scheuen und Wert auf eine schnellere Wundheilung legen.
Stabilitätstest mit der Resonanz-Frequenz-Analyse
Die Resonanz-Frequenz-Analyse dient der Stabilitätsprüfung und gilt als präziser als der Periotest. Sie ist besonders wichtig, wenn Sinuslift und Implantation gleichzeitig durchgeführt werden sollen, um das Risiko eines Implantatverlustes zu minimieren.
Die Radio-Frequenz-Analyse ermittelt die Stabilität des Implantats anhand der Beschaffenheit des Implantat-Knochen-Kontakts, der Steifheit des Implantatkörpers und der Festigkeit des periimplantären Gewebes. 6) Dafür wird unmittelbar nach Implantation und einige Monate später im Rahmen der Implantatfreilegung ein auf das Implantatsystem passender Prüfkörper temporär in das Implantat geschraubt und vermessen (Abbildung 3).
Ergibt die RFA eine Unterschreitung des Grenzwertes, der etwa bei 70 liegt, muss die weitere Versorgung vertagt werden. In diesem Fall erhält der Patient zunächst den Gingivaformer als Platzhalter des einzubringenden Zahnersatzes und zur Stabilisierung des Zahnfleischrings. (Abbildung „Screen-Shot der RFA-Messung“). Im Anschluss ist regelmäßig Form, Farbe und allgemeine Veränderung der Mukosa zu überprüfen. Im Sinne des „Bone Loadings“ kommt es mit der Zeit zur Knochenverdichtung, was als Reaktion des Knochens auf die Beanspruchung zu verstehen ist. Bei Bedarf sind die Gingivaformer auszutauschen, außerdem sind während der Nutzung harte Speisen zu vermeiden.
Ist nach erneuter Durchführung der Resonanz-Frequenz-Analyse ein Wert über 70 festzustellen, ist eine sichere Eindrehung des Abutments möglich. Trotz Einbringung mit 35 NM ist nicht zu befürchten, dass es wieder herausgedreht wird.
Die verlässliche Vorhersage der Stabilität ist für den Erfolg eines externen Sinuslifts mit direkt nachfolgender Implantation für den erfolgreichen Abschluss des Eingriffs sehr wichtig. Oftmals ist die Operationszeit kürzer als bei klassischen Sinusliften, die der Implantologe allerdings auch beherrschen sollte, auch wenn er piezochirurgisch arbeitet.
Patientenfall
Im hier dargestellten Fall liegt eine bereits seit mehreren Jahren bestehende Freiendsituation ab Regio 26 vor. (Abbildung 1.1). Die große Herausforderung des vorliegenden Falls, bei dem in Regio 26 und 27 implantiert werden sollte, war der extrem dünne Kieferknochen (Abbildung „Screenshot DVT“). Besonders wichtig war bei diesem Fall die Messung des RFA-Wertes, da klar ist, dass bei so marginalem Knochenangebot zunächst kein hoher Implantat-Knochen-Kontakt ermittelt werden kann.
Nach der Anhebung der Schneider-Membran konnten die Implantate sicher inseriert und ein Knochenaugmentat zwischen das respiratorische Epithel der Kieferhöhle und dem Kieferhöhlenboden eingebracht werden, das aus einem Gemisch aus autologem Eigenknochen und xenogenem Knochenersatzmaterial bestand (Abbildung 2). Verschlossen wurde es mit einer resorbierbaren Membran, um ein gesteuertes Knochenwachstum (GBR) im augmentierten Bereich zu gewährleisten.
Dank des DVT, der ein vertikales Knochenangebot von ca. 4,0 mm zeigte, konnte im Hinblick auf Größe und Durchmesser bereits im Vorfeld eine Selektierung des zu verwendenden Implantattyps getroffen werden. Zudem war der Ausschluss einer häufig anzutreffenden knöchernen Septierung der Kieferhöhle möglich.
Die Kronenversorgung steht noch aus, der prothetische Aufbau erfolgt aber wohl mit Vollkeramik.