In Ihrer Klinik verwenden Sie spezielle Geräte für die digitale, computergesteuerte Anästhesie bei Kindern. Weshalb haben Sie sich hierfür entschieden?
FRAU PROF. DR. BEKES In der Kinderzahnmedizin kann die Gabe einer Lokalanästhesie durchaus eine Herausforderung darstellen. Obwohl sie das wichtigste Hilfsmittel für die Schmerzkontrolle darstellt, ist die Angst von Kindern vor einer „Spritze“ teilweise immer noch groß. Vor allem die klassische Infiltrationsanästhesie oder die Leitungsanästhesie können Ängste beim Kind hervorrufen. Eine computergesteuerte Durchführung kann hier eine gute Alternative darstellen, um eine atraumatische und schmerzfreie Anästhesie zu erzielen.
Welche Anästhesiearten können Sie digitalgesteuert durchführen?
FRAU PROF. DR. BEKES Je nach gewähltem Applikationssystem ist es möglich neben der klassischen Infiltrations- oder Leitungsanästhesie auch intraligamentäre oder intraossäre Anästhesietechniken durchzuführen.
Entstehen bei der Verwendung dieser Geräte für spezielle Indikationen besondere Vorteile im Gegensatz zu der bewährten Anästhesie mittels Spritze und Kanüle?
FRAU PROF. DR. BEKES Die computergesteuerte, digitale Lokalanästhesie ermöglicht eine schmerzarme, gewebeschonende und präzise Betäubung und ist daher besonders für Kinder und ängstliche Erwachsene geeignet. Weitere Vorteile sind eine kontrollierte, langsame Injektionsrate mit geringem Druck, wodurch größere Mengen des Anästhetikums in das Desmodont platziert werden können. Gleichzeitig wird einer „überdruckbedingten“ Gewebeschädigung effektiv vorgebeugt. Zudem fließt das Anästhetikum der Nadel voraus, so dass die Oberfläche des Gewebes bereits vor dem Einstich betäubt ist. Die Wirkung des Betäubungsmittels setzt sofort ein.
Haben Sie die Erfahrung gesammelt, dass bereits der optische Wegfall der Spritze einen positiven, psychologischen Einfluss in der Behandlung von ängstlichen Patienten mit sich bringt?
FRAU PROF. DR. BEKES Computergesteuerte Systeme werden in der Regel von den Kindern aufgrund der unauffälligeren Gestaltung nicht direkt mit den bekannten „Spritzen“ verknüpft. Auch die Eltern erkennen diese Geräte nicht sofort und übertragen so nicht ihre eigenen Ängste auf das Kind.
Gibt es auch Nachteile?
FRAU PROF. DR. BEKES Da nur sehr geringe Anästhetikamengen injiziert werden und sich das Anästhetikum nur begrenzt ausweitet, ist die intraligamenäre Anästhesie beispielsweise nur bedingt für länger dauernde und ausgedehnte dentoalveoläre chirurgische Eingriffe geeignet. Diese sind jedoch in der Kinder- und Jugendzahnheilkunde selten.
Wird die digitale Anästhesie nur bei Kindern verwendet oder erhalten auch Erwachsene diese Möglichkeit?
FRAU PROF. DR. BEKES Wir sind in unserer Abteilung auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren spezialisiert. Aus diesem Grunde bieten wir diese Art der Anästhesie momentan nur dieser Altersgruppe an. Selbstverständlich würden jedoch auch Erwachsene – wenn sie bei uns behandelt würden – die digitale Anästhesie angeboten bekomme.
Vielen Dank Frau Prof. Dr. Bekes, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
Vita Univ.-Prof. Dr. med. dent. habil. Katrin Bekes, MME (Medizinische Universität Wien)
- 1997-2002 Studium der Zahnmedizin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2002 Staatsexamen & Approbation
- 2003 Promotion 2012 Habilitation
- 2003-2010 Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universitätspoliklinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie und der Sektion Präventive Zahnheilkunde und Kinderzahnheilkunde der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
- 2010-2015 Oberärztin der Universitätspoliklinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, Sektion Präventive Zahnheilkunde und Kinderzahnheilkunde der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
- 2014 Ruf auf die Professur für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde des Kindesalters an der Medizinischen Universität Wien
- Seit 04/2015 Prof. für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde des Kindesalters an der Medizinischen Universität Wien, Fachbereichsleiterin Kinderzahnheilkunde der Universitätszahnklinik Wien Nebentätigkeiten:
- Seit 2019 Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiZ)
- Seit 2017 Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (ÖGKiZ)
- Seit 2016 Councillor für Österreich bei der European Academy of Paediatric Dentistry (EAPD)
- Seit 2016 Councillor für Österreich bei der International Association of Paediatric Dentistry (IAPD)
- 2008-2019 Generalsekretärin der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiZ)