Individuelle Abutments

Dr. med. dent. Tom Verhofstadt
Dr. med. dent. Tom Verhofstadt

„State of the Art“, Teil 1 und 2

Das Problem bestand bereits vor über 20 Jahren. Bei bestimmten Implantatpositionen war es nicht immer möglich, eine Krone auf ein rotationssymmetrisches Abutment zu setzen. Außerdem waren diese hergestellten Abutments manchmal einfach zu kurz für eine relativ niedrige Implantatposition, sodass die Krone oder Brücke keine stabile Verankerung boten. Aufgrund dieser Unzulänglichkeiten wurden die ersten individuell gestaltbaren Abutments auf den Markt gebracht. Dadurch war es möglich, von jeder Implantatposition aus ein individuelles Durchbruchs- bzw. Austrittsprofil aus der Gingiva zu formen und die Höhe des Abutments individuell anzupassen.

Bei den im Anguss-Verfahren erstellen Abutments kann vieles schief gehen. Während des Einbettvorgangs könnten durch Lufteinschlüsse Metallblasen auf dem Abutment vorhanden sein. Das Abstrahlen des Einbettungsmaterials könnte ebenfalls zu Veränderungen am Abutment führen. Das Polieren und Korrigieren des Abutments könnte zu Fehlern in der Passung zur Implantatschnittstelle führen1. Die Verwendung unterschiedlicher Legierungen im dentalen Guss kann Randspaltkorrosionen verursachen2. Schließlich könnte sich die Schraubverbindung zwischen Abutment und Implantat lockern und brechen.

Im Dentallabor können langwierige, fehler- und komplikationsanfällige Bearbeitungsschritte sicher vermieden werden. In der Praxis ermöglichen reduzierte klinische und mechanische Komplikationen eine bessere Langzeitprognose und damit möglicherweise verbesserte wirtschaftliche Bedingungen.

Vor etwa zehn Jahren versuchten nicht-systemische Firmen dies mit Modifikationen von Standard-Abutments zu kompensieren3. Sie waren in der Regel günstiger als die Originalkomponenten. Die Passung, insbesondere in der Verbindung zwischen Abutment und Interface, war nicht optimal. Dies führte zu einer Fehlbelastung des Implantats4.

In den letzten Jahren hat es eine Weiterentwicklung gegeben, die auf zwei unterschiedlichen Konzepten basiert: Das erste Konzept basiert auf monolithischen CAD/CAM-Abutments, die in einem dentalen Fräszentrum gefräst werden. Ein zweites Konzept sind Abutmentbasen, auf denen individuell gestaltete Abutments verklebt oder vorgespannt werden5. Die CAD/CAM-Abutments können im Dentallabor, im Fräs- zentrum oder in der Zahnarztpraxis hergestellt werden. Für die Fertigung dieser Abutments gibt es derzeit verschiedene Möglichkeiten: entweder in der Zahnarztpraxis mithilfe der digitalen Abformung der Mundsituation oder im Dentallabor durch Digitalisieren des Modells nach analogem Abdruck mit den Implantatpositionen. Alternativ kann ein Modell mit den Implantatreplikaten und einer vorbereiteten Weichgewebskontur an das Fräszentrum geschickt werden, das dann einen Konstruktionsvorschlag an den Zahntechniker oder Zahnarzt zur endgültigen Freigabe schickt6.

Bei all diesen neuen Entwicklungen ist es immer noch komplizierter, fehlende Zähne zu ersetzen, als einfach ein Implantat zu setzen und es wiederherzustellen. Der langfristige Erfolg der Behandlung hängt von der optimalen Positionierung des Implantats und dem Erhalt und der Pflege des Weichgewebes ab. Die Prävention von Mukositis und Periimplantitis hat gezeigt, dass die Gesundheit und Dicke des Weichgewebes eine wichtige Rolle als Schutzbarriere gegen Bakterien spielen, welche die Lebensdauer einer Implantatversorgung ver- kürzen können16,17.

Designparameter

Die Kontur des Abutments hat einen entscheidenden Einfluss auf die Form und Abstützung des Weichgewebes. Da der Wurzelquerschnitt natürlicher Zähne im Bereich des Gingivarandes nicht immer rund ist, sondern auch oval oder dreieckig erscheint, ist eine Anpassung an die natürliche Zahnform im Hinblick auf die Form des Weichgewebes besonders wichtig. Die individuelle Gestaltung von CAD CAM-Aufbauten gewährleistet eine Nachbildung der natürlichen Zahnform mit einem idealen Durchbruchprofil im Weichgewebebereich.

Implantate haben einen runden Querschnitt, natürliche Zähne dagegen nicht. Wenn dieser Faktor mit dem Bereich zwischen dem krestalen Knochen und den angrenzenden approximalen Kontakten kombiniert wird, ergibt sich ein Emergenzprofil, das die Ästhetik der Restauration bestimmt.

Die Tiefe der Implantatinsertion hängt davon ab, ob der Ersatz im anterioren oder posterioren Bereich liegt18. Im Frontzahnbereich wird generell angestrebt, das Implantat mit seinem Interface 3 bis 4 mm unterhalb der Schmelz-Zement-Grenze (CGG) der Nachbarzähne zu platzieren19. Dies bietet ausreichend Platz für das Austrittsprofil für ästhetische Zwecke. Im Seitenzahnbereich ist das Ziel in der Regel, das Implantat 2 bis 3 mm unterhalb des CGG der Nachbarzähne zu platzieren20. Je nach Art des verwendeten Implantatsystems kann die Verbindung eine tiefere Platzierung ermöglichen. Beispiele für solche Implantatsysteme sind Ankylos (Dentsply Sirona), Bicon (Bicon Dental Implants) und Neodent (Straumann). Implantatsysteme wie das Astra Tech Implant System (Dentsply Sirona) mit einer schmaleren Plattform, die eine tiefere Platzierung ermöglichen, bieten guten vertikalen Raum, um den horizontalen Querschnitt der zukünftigen Implantatkrone zu kompensieren.

Neben dem Emergenzprofil spielen auch Faktoren wie die Lage der Präparationskante, das Abutmentmaterial und die Oberfläche eine Rolle für den Kontakt mit dem Weichgewebe. Die CAD CAM-Fertigung bietet die Möglichkeit, den Präparationsrand exakt zu planen und zu gestalten, was insbesondere für die Abstützung und Ausformung der Papille wichtig ist. Bei der Gestaltung von individuellen Abutments ist die Form der Gingiva konisch. Eine stark konvexe oder konkave Form ist nicht zu empfehlen, da sie zu viel Druck auf das Weichgewebe ausübt und zu einer schnelleren Verschmutzung der proximalen Bereiche führt und daher mit herkömmlichen Mundhygienemaßnahmen nur schwer zu reinigen ist7.

Lage des Implantats etwas zu labial zentral palatinal
Emergenzprofil konkav Etwas konkav konvex
Effekt Weichgewebe nimmt zu Erhalt des Weichgewebes Verschiebung des Weichgewebes nach

labial

Tab. 1: Vorschlag, wie das Austrittsprofil in Abhängigkeit von der Platzierung des Implantats in labio- palatinaler Ausrichtung zum Alveolarknochen und zum Nachbarzahn gestaltet werden sollte.

Ein zentral platziertes Implantat ist definiert als eines, bei dem die labiale Kontur der Implantatplattform etwa 2 mm nach palatinal hinter einer imaginären Linie liegt, die zwischen den bukkalen Flächen der Nachbarzähne gezogen wird. Das Austrittsprofil ist konkav, um das Weichgewebe zu schonen und nicht zu stark zu belasten.

Wenn die Implantatplattform mehr als 2 mm von der palatinalen Oberfläche entfernt ist, drückt ein konvexes Austrittsprofil das Weichgewebe in Richtung der labialen Oberfläche. Da das Weichgewebe leicht verdrängt wird, nimmt es kurzzeitig eine anämische Färbung an. Dies zeigt an, dass ein leichter Druck auf das Gewebe ausgeübt wird. Wenn die Oberflächenkontur nicht ausreichend durch die Gingiva gestützt wird, kann im ästhetisch ungünstigsten Fall bei Tageslicht eine hellgraue Farbe durchschimmern.

Ein gewebestützendes Abutment kann verwendet werden, wenn die Implantatplattform etwas zu weit im bukkalen Bereich liegt. Dieses Abutment kann einen minimalen Druck von innen auf das Weichgewebe ausüben, um das Weichgewebevolumen zu erhöhen. Der Grad der Konkavität des Austrittsprofils hängt von der labialen Position des Implantats ab.

Der Präparationsrand wird per Definition leicht subgingival liegen8. Das bedeutet, dass die Präparationsgrenze interproximal höher ist als vestibulär oder oral. Der Stumpf sollte so gewählt werden, dass die Krone gleichmäßig gestützt wird, sodass die Fase oder der Scheinbereich je nach gewähltem Material zwischen 0,5 und 1,5 mm beträgt. Im Molarenbereich sind die Kaukräfte so groß, dass auch hier Platz für die Höcker und Fissuren geschaffen werden muss. Bei hohem interproximalem Kontakt mit hohem Weichgewebeanteil und deutlicher Reduktion der vestibulären Gingiva ist es ratsam, insbesondere bei einer Einzelzahnversorgung, vertikale Retentionsrillen am Abutmentstumpf anzubringen, um für die zementierte Kronenversorgung eine ausreichende Retention und Stabilität zu erreichen. Neben der Länge des Abutments wird die Retention der Krone auch durch die Winkelneigung beeinflusst. Bei großen Abutmenthöhen ist besonders im Mehrzahnersatz ein flacherer Stumpfwinkel vorzuziehen, damit der Zementstau bei der Zementierung nicht zu groß wird.

Bei einer großen Diskrepanz zwischen dem Implantatdurchmesser und dem Profil der Ersatzkrone, die häufig bei gaugereduzierten Implantaten auftritt, ist es wichtig, dass die Abutmentschulter ausreichend konturiert ist, um eine Kompression des Weichgewebes durch die Krone zu verhindern. Es ist aber schwierig, dies auf einem zweidimensionalen Röntgenbild zu beurteilen.

Es kann eine Herausforderung sein, nicht nur den Kronenbereich des Zahns, sondern auch die gesamte Zahnanatomie zu imitieren. Der Querschnitt der Zähne am Gingivarand hat unterschiedliche Formen. Die Herausforderung besteht darin, dass die Implantate auf der Plattform einen runden Querschnitt haben und der Behandler auf die spezifische Form des natürlichen Zahns übergehen muss, um eine natürlich aussehende Ästhetik zu erreichen, die das Profil des Zahns nachahmt. Die Wahl des optimalen Implantatdurchmessers für den verfügbaren Platz hängt nicht nur von der mesial-distalen Dimension, sondern auch von der bukkal-lingualen Dimension ab20,21. Die Verwendung eines Implantats mit einem engeren Durchmesser als der verfügbare mesial-distale Raum kann das Emergenzprofil verkomplizieren und zu proximalen Nahrungsansammlungen führen und die Ästhetik beeinträchtigen. Dies ist sowohl im vorderen als auch im hinteren Bereich des Mundes von klinischer Relevanz.

Material

Wenn es um die Frage geht, welches Material verwendet werden soll, werden häufig zahnfarbene Zirkonoxidabutments gewählt, insbesondere im Oberkiefer9. Aufgrund der ästhetischen Eigenschaften sowie der guten Integration in das Weichgewebe, der Biokompatibilität und der akzeptablen Langzeitprognose, werden zunehmend individuelle Zirkonoxidabutments verwendet.

Wenn dicke keratinisierte Gingiva um das Implantat herum vorhanden ist, spielt der Effekt der Transluzenz keine große Rolle und es können Titanabutments gewählt werden. In einigen Fällen, wenn es noch Probleme mit der Transluzenz gibt, kann ein Zirkonoxidabutment durchaus eine Indikation sein. Ein großer Nachteil von Zirkonium im Allgemeinen ist, dass es eine gewisse Stärke haben muss. Wenn zum Beispiel das Implantat in der oberen Front zu weit in Richtung vestibulärem Bereich platziert ist, wird ein Zirkonoxidabutment per Definition voluminöser sein als ein Titanabutment. Monolithische Titanaufbauten, die mit Titannitrid beschichtet sind, stellen eine Alternative dar, die auch von Atlantis (www.atlantisweborder.com) angeboten werden.

Diese Titanabutments weisen einen goldfarbenen Farbton ab dem Implantatrand und ein unbehandeltes Interface auf. Dies führt zu einer ästhetisch warmen und gesunden Farbe des Zahnfleisches aus der Tiefe heraus. Sie sind ideal in hochästhetischen Bereichen und bei einem dünnen gingivalen Biotyp oder im Frontzahnbereich in Situationen, in denen eine erhöhte mechanische Belastung auftreten kann.

Im Seitenzahnbereich und in Situationen mit erhöhter mechanischer Belastung, wie zum Beispiel Bruxismus oder einer ungünstigen Beziehung zwischen Implantat und Abutment, sind Titanabutments besser geeignet als Zirkonoxidabutments. Bei der Verwendung von einteiligen Zirkonoxidabutments auf Titanimplantaten besteht die Gefahr von Abrasion durch Mikrobewegungen im Interface des Implantats.

Der Vorteil von CAD CAM-Abutments ist, dass der standardisierte computergestützte Fertigungsprozess das Design und die Bearbeitung der materialgerechten Abutmentgeometrie übernimmt und die optimalen Materialstärken gewährleistet. Der Verzicht von manuellen individuellen Nacharbeiten verhindert Materialschäden, insbesondere bei Zirkonoxidabutments.

Weniger optimale Alternativen sind Titanklebebasen, welche mit einem individuell gefertigten Zirkonoxidabutment-Stumpf verklebt werden.

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