„Eine Zahnmedizin, die keine Zusammenhänge zwischen oraler Gesundheit und dem inneren Milieu herstellt, ist zum Scheitern verurteilt!“
Herr Dr. Olbertz, Sie geben regelmäßig Seminare zur Mikronährstofftherapie bei Parodontitis, die sich immer größerer Beliebtheit bei Ihren Kolleginnen und Kollegen erfreuen. Warum ist dieses Thema so zeitgemäß?
Die Menschen haben in den vergangenen Jahren ein Bewusstsein für die Themen Ernährung, Entzündung und Darmgesundheit entwickelt. Industriell verarbeitete Lebensmittel, zu jeder Jahreszeit scheinbar frisch angebotenes Obst, Auslaugung der Böden und vieles mehr: Die Nahrung kann heute kaum noch den Nährstoffbedarf decken.
Deshalb stellen Patienten heute mehr Fragen und höhere Ansprüche. Die sogenannten Best Ager nehmen aktiv weiter am Leben teil, genießen und gestalten ihren letzten Lebensabschnitt. Für ihre Vitalität ist es besonders wichtig, Defizite auszugleichen. Das zeigt sich auch in der Zahnmedizin: Der ältere Patient war früher zahnlos oder hatte nur noch eine Restbezahnung. Das ist heute nicht mehr vorstellbar. Unter Einbezug von Implantaten haben ältere Menschen heute in der Regel mehr oder weniger volle Bezahnung. Und die wollen sie erhalten und stabilisieren.
Woran liegt es, dass der systemische Aspekt der Parodontitis so lange nicht im Praxisalltag berücksichtigt wurde?
Das hat einen medizinhistorischen Grund: Im 19. Jahrhundert war die Zahnheilkunde ein selbstverständlicher Teil der Medizin. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich das verändert – und schließlich hat die Zahnmedizin sich komplett von der Medizin entkoppelt. Diese Entkopplung hat nun ihren Höhepunkt überschritten. Durch Corona gibt es eine Rückbesinnung auf die Mundhöhle als Teil des Menschen – und somit auch auf inflammatorische Aspekte parodontaler Erkrankungen. Jetzt wird erkannt, dass wir im Bereich der Zahnheilkunde auch Primärdiagnostik betreiben und nicht nur retrospektiv agieren können.
Ihre Kernthese lautet, dass nicht nur die Pathobionten zurückgedrängt, sondern im gleichen Zuge die kommensalen Keime durch antiinflammatorische Maßnahmen gestärkt werden müssen. Es bedarf einer Entzündung, damit pathogene Bakterien sich wohlfühlen. Warum leiden heute so viele Menschen unter chronischen Entzündungen?
Unsere Nahrung ist zu stark industrialisiert. Moderne Produktionsformen sind nicht gesund für uns. Die Landwirtschat ist in vielen Bereichen zu kommerzialisiert. Wenn Kühe vorrangig Kraftfutter erhalten statt Gras, produzieren sie keine wertvolle Milch, und die Butter, die aus dieser Milch gemacht wird, enthält kaum Nährstoffe. Zudem ist natürlich unsere Umwelt massiv belastet. Früher konnte man Dreck sehen. Heute leiden wir unter Feinstaub und Nanopartikeln. All diese Einflussfaktoren fahren auf Dauer die Entzündungssysteme zu einem unkontrollierbaren Schwelbrand hoch. Alzheimer, Osteoporose oder Diabetes – sie alle haben eine entzündliche Basis.
Welchen Patienten empfehlen Sie die Einnahme von Mikronährstoffen zur Aufwertung der Ernährung, und wie gehen Sie dabei vor?
Wenn eine Patientin oder ein Patient mit einer Parodontitis durch das zahnmedizinische Repertoire, unsere professionelle Begleitung und häusliche Eigentherapie nicht zu stabilisieren ist, empfehle ich einen aMMP-8-Test. aMMP-8, die aktive Matrix-Metalloproteinase-8, ist als Destruktionsmarker kausal am Gewebeabbau beteiligt. Das Enzym ist direkt in der parodontalen Tasche nachweisbar und baut Kollagen als Baustoff unseres Bindegewebes ab. Bei Patienten mit einem aMMP-8-Wert von über 20 ng/ml ist der Stoffwechsel durch ein Entzündungsgeschehen belastet. Dann empfehle ich die bilanzierte Diät Itis-Protect zum Diätmanagement bei Parodontitis.
Eine aMMP-8-Messung ergibt einen konkreten, nachvollziehbaren Wert, der keinen Spielraum für Interpretationen lässt. Für Zahnärztinnen und Zahnärzte ermöglicht er eine Dokumentation der Aufklärungsarbeit. Kein Patient ist gezwungen, sich an unseren Rat zu halten – aber mit einer Ermittlung des aMMP-8-Wertes kann er uns später nicht vorwerfen, ihn nicht aufgeklärt zu haben.
Welche Nahrungsergänzungen stehen bei Ihnen im Vordergrund, auch in der Erhaltungstherapie?
Ganz wichtig zur Modulation chronischer Entzündungen ist die Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren, die bei ca. 70 Prozent der Bevölkerung im Defizit sind. Magnesium-Calcium unterstützt die Regulierung des Säure-Basen-Haushaltes. Auch die Einnahme darmaktiver Mikroorganismen ist natürlich essenziell. Aufgrund ihrer Reinheit empfehle ich Produkte der Firma hypo-A. Ich nehme regelmäßig kinesiologische Testungen vor und habe nur bei ganz wenigen Herstellern Ergebnisse, die zu einer Produktempfehlung führen.
Wie sieht die Parodontitis-Behandlung im Jahr 2040 aus?
Da wird das Thema Silent Inflammation mit Sicherheit die entscheidende Rolle spielen. Das muss schlichtweg so sein! Weil der Schaden, der entstehen würde, wenn sich am Status Quo nichts ändert, immens ist. Wenn man erkannt hat, wie wichtig das innere Milieu ist, um den Entzündungsmodus zu verlassen, kann man das nicht mehr ignorieren. Ernährung, Bewegung und Lebensstil müssen in die parodontale Therapie integriert werden – das ist unsere einzige Chance!
Was ist das Besondere an den Seminaren zur behandlungsresistenten Parodontitis?
Ich lerne viel aus den Fragen, die von den Kolleginnen und Kollegen der Zahnmedizin, aber auch anderer Fachdisziplinen, gestellt werden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man das, was man macht, selbst erst richtig beherrscht, wenn man es anderen erklären kann. Wenn ich auf echtes Interesse treffe, macht das besonders viel Spaß. Es lohnt sich für Praxen, sich mit orthomolekularer Medizin und anderen Bereichen der inneren Medizin zu beschäftigen. Wenn wir aus dem Studium kommen, wissen wir viel zu wenig darüber. Bis vor kurzem ging die Approbationsordnung der Zahnmediziner auf die Version von 1955 zurück – und auch die reformierte Ordnung hat in diesem Bereich aus meiner Sicht Nachholbedarf.
Wie ernähren Sie sich selbst? Worauf achten Sie?
Ich lege Wert auf frische Lebensmittel in Bio-Qualität. Konserven, stark verarbeitete Lebensmittel, Zusatzstoffe und Co. kommen bei uns nicht auf den Tisch. Ganz wichtig: Ich spare Zucker ein, wo immer mir das möglich ist. Wir essen heute alle viel zu viel Zucker. Wir haben ein Überangebot an allem und sollten wieder mehr Maß finden. Ich muss zum Beispiel nicht jeden Tag Fleisch auf dem Tisch haben. Und ich halte mich an den Glaubenssatz, dass man kurz, bevor man satt ist, aufhören soll zu essen. Damit fahre ich gut und fühle mich sehr vital.
Vielen Dank Herr Dr. Olbertz für das offene Gespräch!
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