Befundaufnahme
Eine eingehende, klinische Untersuchung ergab keinen pathologischen Befund. Differentialdiagnostisch wurde eine späte dentitio difficilis in Betracht gezogen. Deshalb erfolgte zur weiteren Abklärung die Anfertigung eines Orthopantomogramms.
Die röntgenologische Analyse zeigte ebenso keine dental auffälligen Befunde, abgesehen von möglichen approximal-kariösen Läsionen an Zahn 26.
Ein Blick auf das linke Kiefergelenk lässt allerdings im Seitenvergleich einen nur schmalen, bis nicht mehr vorhandenen, Kiefergelenk-Spalt erkennen. Auf diesen Sachverhalt angesprochen, erzählte uns der Patient, dass er sich derzeit in fachärztlicher Behandlung zur Abklärung eines Morbus Bechterew befindet. Anamnestisch, klinisch sowie radiologisch ergibt sich so der Verdacht auf einen akuten Schub einer chronisch-rheumatoiden Arthritis des linken Kiefergelenks.
Die initiale Therapie bestand in der Entlastung mittels Okklusionsschiene, Ibuprofen-Gabe (hochdosiert im antiphlogistischen Bereich), Verordnung von manueller Therapie (Indikationsschlüssel: Cd2d) sowie dem Vermeiden von kauintensiven Speisen (zum Beispiel Gummibärchen etc.).
Diskussion
Der vorliegende Fall gehört zu dem komplexen Krankheitsbild der inflammatorischen Erkrankungen des Kiefergelenks. Grundsätzlich äußern sich die chronisch-rheumatischen Arthritiden des Articulatio temporomandibularis durch vergleichbare Symptome, die sich vorwiegend in ihrer Häufigkeit und Schwere der Ausprägung unterscheiden. Hierbei handelt es sich typischerweise um Schmerzen im betroffenen Gelenk, oft vergesellschaftet mit Geräuschen, eingeschränkter wie auch mandibulärer Beweglichkeit und funktionellen Einschränkungen.
Gemäß der aktuellen S3-Leitlinie stellt das OPG bei Verdacht auf eine chronisch-rheumatische Kiefergelenkarthritis eine kostengünstige, risikoarme und gut verfügbare Methode zur initialen Detektion einer fortgeschrittenen knöchernen Kiefergelenksbeteiligung dar. Aufgrund der Möglichkeit, akute entzündliche Prozesse im Weichteilgewebe aufzuzeigen, eignet sich wiederum die MRT mit Kontrastmittelverstärkung als das beste bildgebende Verfahren zur Darstellung von aktiver Arthritis im Kiefergelenk. Sollten diese nicht ausreichend Aufschluss über eine Beteiligung der knöchernen Strukturen geben, kann weiterhin auf die CT / DVT als mögliche Alternative zurückgegriffen werden.
Therapeutisch ist ein interdisziplinärer Ansatz, unter rheumatologischer ärztlicher Leitung, als die Basis für die Therapie chronisch-rheumatischer Kiefergelenkentzündungen anzusehen. Bedarfsweise sollte die Einbeziehung von weiteren Fachdisziplinen wie der Radiologie, der Zahnmedizin (hier speziell der Funktionsdiagnostik, Kieferorthopädie und der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie), sowie der Physiotherapie erfolgen.
Die nachstehende Grafik gibt einen guten Überblick über die Komplexität dieses Krankheitsbildes und mögliche therapeutische Konzepte (Abb. 2).
Anmerkung
Neben der rheumatoiden Arthritis zeigen auch 29 Prozent bis 62 Prozent der Patienten mit Psoriasis Arthritis (PSA) und 10 Prozent bis 32 Prozent der Patienten mit Spondylitis ankylosans (SA, M. Bechterew) Zeichen einer Beteiligung des Kiefergelenks. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Beschwerdebild unseres Patienten weiter entwickeln wird – bislang stellte er sich nicht erneut vor.
Literatur:
Neff, A. & Schmidt, C. (Lenkungsgruppe) (2021). DGMKG S3- Leitlinie: Inflammatorische Erkrankungen des Kiefergelenks – Juvenile idiopathische Arthritis und Rheumatoide Arthritis des Kiefergelenks, Kurzversion 1.0, AWMF-Registernummer 007/061. https://www.awmf.org/awmf-online-das-portal-der-wissenschaftlichen-medizin/awmf-aktuell.html (abgerufen am 26.10.2021)
Bildnachweis
Abbildung 2: Klinisches Management bei Verdacht auf eine Kiefergelenkbeteiligung bei Patienten mit V. a. bzw. anamnestischer RA / JIA in Anlehnung an (Stoll et al. 2018, V/k++) und (Alstergren et al. 2018, IIIb/+/k+)